12.05.20

RENATE HOLM & RUDOLF SCHOCK singen FRANZ VON SUPPÉ














Franz von Suppé 1815-1895


Der Vater war Belgier und die Mutter Österreicherin. Gaetano Donizetti war sein Onkel.
Mit dem Komponisten und Dirigenten Franz von Suppé bekamen die  neckischen Operetten von Jacques Offenbach eine Wiener Fortsetzung.
Suppés Theaterarbeit ist unter dem Einfluss von Offenbach auch neckisch und parodiert u.a. die Antike und die Kultur einer zügellos-mittelalterlichen Gesellschaft.
Ausserordentlich erfolgreich war er mit seinen Ouvertüren für Schwänke und Lustspiele (z. B. 'Dichter und Bauer' und 'Ein Morgen, ein Mittag und ein Abend in Wien').
Von seinen dreißig Operetten sind noch wenige im Repertoire geblieben. Darunter "Die schöne Galathée" (1865) und "Boccaccio" (1879).

Bei Franz von Suppé beginnt die Dominanz der deutschsprachigen Operette. Bald sollte er von Johann Strauss Jr. übertroffen worden.

Renate Holm & Rudolf Schock

Renate Holm (1931) verbringt die ersten drei Jahrzehnte ihres Lebens in Deutschland. Dort studiert sie Gesang und spielt 1957 mit Rudolf Schock im Franz Lehár-Film 'Schön ist die Welt'.
Ihr Debüt an der Wiener Volksoper 1961 markiert den Beginn einer langen Gesangskarriere. Von 1964 bis 1991 ist sie Mitglied der Wiener Staatsoper, wo sie viele Male unter musikalischer Leitung von Herbert von Karajan auftritt.
Im Jahre 1958 ist Rudolf Schock ihr Gesangspartner in einer Fernsehaufführung der Operette 'Die schöne Galathée' von Franz von Suppé.
In den sechziger und siebziger Jahren treten Renate Holm und Rudolf Schock regelmäßig zusammen auf. Im Schallplattenstudio singen sie hauptsächlich in Operetten, darunter 1962 "Boccaccio" und 1964 "Die Fledermaus" unter Robert Stolz. 1974 hat Berté/Schuberts Gesangsspiel "Das Dreimäderlhaus" mit ihnen Premiere.

Renate Holms Gesangsstil ist von herzerregender Direktheit. Spontanität kennzeichnet ihr Aussehen, Schauspiel und Gesang. Diva-Manierismen sind ihr fremd. Der kristallklare Klang ihrer Stimme hat mich immer verzaubert.

'Hab' ich nur deine Liebe' aus 'Boccaccio':

Es ist nützlich, zu wissen, dass Franz von Suppé dem Libretto seiner Texter F.Zell (ein Pseudonym!) und Richard Genée 'Hab' ich nur deine Liebe' hinzugefügt hat. Übrigens nicht zu ihrer Zufriedenheit.

Es muss wehgetan haben, dass gerade dieses Lied die Herzen des Publikums am schnellsten schlagen ließ. Es traf einen Nerv in einer Partitur, die sowieso schon voller ansteckender Musik war.
Die Kombination dieser Musik und dieser Worte brachte die Leute zum Nachdenken. In wunderschöner Melodie verpackt, erhielten sie eine faszinierende Lektion fürs Leben, die (echte) Liebe über (wahre) Treue stellt.

Der eigentliche Autor dieses Textes war ein Freund von Franz von Suppé: Marineoffizier und Dichter Heinrich von Littrow (1820-1895).
Von Littrow veröffentlichte mehr als 20 Jahre vor 'Boccaccio'  ein Gedicht mit dem Titel 'Liebe und Treue'!

Heinrich von Littrow









Wer ist Boccaccio?

Giovanni Boccaccio (1313-1375) ist ein humanistischer Schriftsteller und Geschichtenerzähler aus Florenz (Italien).
Um 1350, in Zeiten der Pestpandemie, verfassten er und seine Freunde das "Dekameron", hundert faszinierende Geschichten über Liebe und Betrug.
In den Geschichten spielen er und seine Muse Fiametta oft eine Hauptrolle.

Über die Rolle des Liedes in der Operette:

Peronella, Fiamettas Pflegemutter, fordert beim Kirchenbesuch Fiometta auf,  so bald wie möglich zu heiraten. Der Mann, der regelmäßig das Kostgeld für sie bezahlt, hat berichtet, er sei jetzt bereit, das Mädchen zu heiraten.
Fiametta rebelliert: Sie will niemanden heiraten, den sie nicht liebt. Peronella weist darauf hin,"Treue" ist im Leben wichtiger als "Liebe".

Fiametta ist anderer Meinung. Sie singt das Lied 'Habe ich nur die "Liebe", dann brauche ich die "Treue" nicht'.
Dann taucht Boccaccio auf, der Fiametta schon längere Zeit aus der Ferne verehrt. Er stimmt vollkommen mit ihr überein, schenkt ihr eine Rose und bestätigt seine Gefühle dadurch, dass er die letzten Zeilen des Liedes wiederholt.

Zwei Aufnahmen mit Rudolf Schock von 'Hab' ich nur deine Liebe':
- 1955 machen Dirigent Wilhelm Schüchter, Anneliese Rothenberger und Rudolf Schock ein majestätisch rezitiertes Duett (!) daraus.
Der einzige Hinweis auf die Operettenhandlung ist das Läuten einer kleinen Kirchenglocke. Es mutet fast als eine feierliche Hochzeitszeremonie an.

Anneliese Rothenberger und Rudolf Schock - in ihren grossen Sängerjahren - singen fabelhaft schön.





LINK: Anneliese Rothenberger & Rudolf Schock: 'Hab' ich nur deine Liebe'
(YouTube Upload: "tigervonwhiskeypur")


- 1962 dirigiert Frank Fox (siehe unter "RS singt Berté/Schubert" und "RS singt Kálmán") Renate Holm und - im letzten Teil - Rudolf Schock in Übereinstimmung mit der Operettenhandlung!

Renate Holm ist eine Fiametta, die kaum ihre Rebellion verbergen kann.
Sie singt ihre Anwort an die Pflegemutter ein wenig provozierend.  Starrköpfigkeit lauert auf. Rudolf Schocks Beitrag ist angemessen zwingend.
Dirigent und Solisten machen die angespannte Situation greifbar.

NB:
In naher Zukunft hoffe ich, den Artikel mit Bemerkungen zu Renate Holm und Rudolf Schock in 'Die schöne Galathée' zu ergänzen.

Krijn de Lege, 11.5.2020

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