02.10.18

RUDOLF SCHOCK singt WILHELM KIENZL (Deutsch)

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Wilhelm Kienzl (1857-1941)


Der junge Wilhelm Kienzl



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Der österreichische Wilhelm Kienzl wurde bis in die 30er Jahre des vorigen Jhts. als bedeutender Komponist und Dirigent hoch geschätzt.

Heute aber hat mancher Opernliebhaber nie von ihm gehört.
Im deutschsprachigen Europa bringt man seinen Namen mit dem 'Evangelimann' (1895) in Zusammenhang, einer Oper, die "ziemlich sentimental" sein soll. Diese Annahme rührt vor allem von der Tenor/Kinderchor-Szene zu biblischem Text her: "Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich".
Das Fragment hat sich u.a. in kirchlichen Verbänden - aber nicht nur da - als 'Bestseller' herausgestellt. Mit Dank an die Tenöre Tauber, Völker, Patzak, Schock, Wunderlich, Gedda, Domingo usw., die es - meistens inmitten einer hingebungsvollen Schar von Kindern - nach wie vor mit großer Begeisterung
sangen.

Rudolf Schock machte das Lied nach dem 2. Weltkrieg aus Neue beliebt. Zum ersten Mal 1952 auf der Schallplatte:



Im Jahre 1953 klang "Selig sind..." von der Leinwand im Tauber/Schock-Film 'Du bist die Welt für mich' und danach sang Rudolf Schock die Arie viele Male auf der Schallplatte und in zahllosen Chor-Konzerten.
An der Wiener 'Volksoper' kam es 1972 zu vollständigen Opernvorstellungen mit Rudolf Schock in der Rolle des "Evangelimanns Mathias".


Eine ANDERE Tenorszene aus einer Kienzl-Oper hat auch das 21. Jht. geschafft, und zwar das Finale des 1. Aktes der Oper 'Der Kuhreigen' (1911).
"Wenn man sich diese kleine Schallplatte nur einmal anhören würde, dann sage ich voraus, dass sie zum Beststeller wird"
So der niederländische Opernrezensent Leo Riemens (1910-1985) im 'Unabhängigen Monatsheft für Schallplatten-Liebhaber LUISTER....! (Hör zu...!)' vom April 1958.
Riemens schrieb 1958 erstaunt, diese 45UpM-Platte sei die  e r s t e  Aufnahme dieses 'Kuhreigen'-Finale, die er "seit der alten Tauber-Platte aus dem Jahre 1931!", hörte.
Er nannte 'Der Kuhreigen' "Wilhelm Kienzls Meisterwerk" und warb für die Oper: "Sie sei sogar in Chicago in französcher Sprache aufgeführt" und "besonders feinsinnig mit einem stark dramatischen und interessanten Textbuch".
Ein Jahr später betonte er abermals in seinem 'Großen Opernbuch' (1959),
die "Vernachlässigung" des 'Kuhreigens' sei "unverständlich" angesichts des Erfolgs, den die Oper in allen deutschsprachigen Theatern in den ersten Jahren nach der Wiener Premiere hatte.
Alle Reklame war aber umsonst: die Schallplatte wurde kein Bestseller. Erst heute - auf YouTube - nimmt das Interesse zu.

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'Der Evangelimann' (1895)
halte ich für eine wesentlich veristische Oper über Menschen, die mit Haut und Haaren der unbarmherzigen Wirklichkeit des Lebens überliefert sind.
'Verismo' (aus dem Italienischen) bedeutet 'Realismus' und bezeichnet den literarischen Mainstream in der 2. Hälfte des 19. Jhts. Romane aus diesen Jahren gehen über Menschen, die einer gleichgültigen Realität ausgesetzt sind.
Vor allem italienische Opernkomponisten wurden künstlerisch vom Verismo inspiriert. In den deutschsprachigen Ländern schien diese Strömung auf eine einige Oper wie 'Tiefland' (d'Albert) beschränkt zu bleiben (Eugen d'Alberts 'Tiefland' link).
Inzwischen werden in der seriösen Musikwelt andre Stimmen laut, die feststellen, dass Kienzls Opern inhaltlich überraschend an die Verismo-Opern eines Giordano, Mascagni, Leoncavallo und Puccini anschliessen!

Kurze Zusammenfassung der Oper
Wilhelm Kienzl begründet das - von ihm selbst verfasste - Textbuch auf historisch überlieferten Ereignissen:
Mathias, Kontorist in einem österreichischen Kloster, und sein älterer Bruder, der Lehrer Johannes haben sich beide in Martha, Nichte und Pflegetocher ihres Vorgesetzten verliebt. Martha beantwortet Mahias' Liebe, worauf der eifersüchtige Johannes ihren Vater informiert. Mathias wird entlassen und nimmt rührend Abschied von Martha. Johannes hört dieses Zusammensein ab, und in wilder Wut setzt er einen Teil des Klosters in Brand.
Mathias wird der Tat beschuldigt. Die Entlassung muss sein Motiv gewesen sein. Der Richter verurteilt ihn zu zwanzig Jahren Gefängnis.
Nach seiner Freilassung erfährt Mathias, Martha habe in der Donau eine letzte Ruhestätte gefunden.
Er entschliesst sich, als Evangelimann durch das Land zu ziehen.

'Der Kuhreigen' (1911)















Kurze Beschreibung vom 'Kuhreigen':

Wieder verfasste Wilhelm Kienzl selber das Opern-Textbuch:  
1792: In den Jahren der Französischen Revolution (Schweizer Söldner im Dienste des französischen Königs sind auf dem Innenhof einer Kaserne in der Umgebung von Paris).
Unteroffizier Primus Thaller (Tenorpartie) legt in wehmütiger Stimmung den Arm um die Schultern des Kampfgenossen namens Dursel und macht ihn auf den herrlichen Abendhimmel aufmerksam: 'Lug, Dursel, lug (Vgl. das englische 'look'!), der Abend bricht herein...'

In (vokaler) Verzückung (1. Finaleteil) wird Primus (kurz danach auch Dursel) von schwerem Heimweh nach dem Schweizer Heimatland überwältigt.
Auf einmal beginnt er leise, das bei Todesstrafe verbotene (!) 'Kuhreigenlied' zu singen (2. Finaleteil): 'Zu Strassburg auf der Schanz'. Die andren Schweizer stimmen ergriffen ein.
(Der 'Kuhreigen' ist ein Lied, womit vor Jahrhunderten Bauern in den Schweizer Alpen die Kühe zum Melken anlockten).

Alarmierte, französische Soldaten stürmen in den Innenhof und wollen die 'rebellischen' Söldner verhaften. Primus, der gesteht, er habe mit dem Singen angefangen, wird in Fesseln gelegt.
Er singt eine letzte Gebetsstrophe.

Im 2. und 3. Akt handelt es sich um die Liebe zwischen Primus und Blanchefleur. Er, ein gefangener, ausländischer Söldner, und sie, die Gattin eines französischen Marquis.
Blanchefleur plädiert erfolgreich beim König auf Gnade für Primus.
Darauf führt die Revolution zum drastischen Rollenwechse: Blanchefleur bekommt die Chance, zwischen einem Leben an Primus' Seite und das Schafott zu wählen. Sie wählt das Schafott.

Das Problem der "Schweizer Krankheit"!

Schweizer Männer waren als Söldner in französischem und niederländischem Regierungsdienst äußerst gewollt.
Ein Problem war aber, dass sie oft beim Hören vaterländischer Lieder (z.B. des 'Kuhreigenliedes') krank vor Heimweh wurden und Hals über Kopf desertierten.
Darum stand im voraus auf das Singen solcher Lieder die Todesstrafe. Übrigens schien der schottische Dudelsack andernorts in Europa dieselbe Wirkung auszuüben.

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Kienzls Musik:
Gegen Kienzls Musik herrschten und herrschen Vorurteile.
Kritiker wußten, der junge Kienzl habe in Bayreuth Richard Wagner assistiert. Prompt glaubten sie in Kienzls Komponierstil Wagner zu erkennen. 
Nun war es in Kienzls Zeit sowieso schwierig, aus dem Schatten des allgegenwärtigen Wagner zu treten. Aber trotzdem gelang es Kienzl einen eigenen ansprechenden Stil zu entwickeln.
Der bedeutende und einflussreiche Fachkollege Erich Wolfgang von Korngold (1897-1957) lobte die Einfachheit und Singbarkeit von Kienzls Melodien. Andre verurteilten sie gerade.


Der ältere Wilhelm Kienzl
























Kienzl reagierte in seiner Biografie (1926) mit Bescheidenheit auf die Kritik, die an ihm geübt wurde:
"In der Kunst muss man entweder die Sinne kitzeln oder das Herz treffen. Einen Zwischenweg gibt es nicht. Ich wählte das letzte" und "Ich sollte die Bühnenwirkung ausnützen? Das ist keine schlaue Berechnung, sondern ehrliche Kunst".

W
ilhelm Kienzl wusste mit seiner Theatermusik, die Leute tief zu berühren: er traf den sogenannten 'VOLKSTON', der ungekünstelt und direkt ist, aber einfach scheint.
Er unterschrieb - bewusst oder nicht - den Ausgangspunkt des Liederkomponisten Johann Abraham Peter Schulz (1747-1800).
Nach Schulz liegt das Geheimnis des Volkstons im "Schein des Bekannten". Ein Komponist erreicht diesen "Schein", wenn er die fortschreitende Melodie konsequent dem Laufe des Textes unterordnet. In seiner musikalischen Version des Matthias Claudius-Gedichts 'Der Mond ist aufgegangen' lässt Schulz das prominent hören. 

YouTube-Aufnahmen des 1. Finale aus  'Kuhreigen':
Fritz Wunderlich und "sein" Männerchor klingen poliert und die Stereo-Aufnahme ist transparent. Die Orchesterbegleitung scheint eventuelle Assoziationen mit Wagner möglichst viel aus dem Wege zu gehen.

Von Richard Tauber sind auf YouTube die beiden Teile des Finale getrennt voneinander zu hören. Was auffällt, sind Taubers fast nonchalante Leichtigkeit und selbstsichere Textakzente. Die Zeilen des Baritons (Dursel) in 'Lug, Dursel, lug' singt Tauber selber.


Dirgent Richard Kraus













Dirigent der Mono-Aufnahme mit Rudolf Schock (1955) ist Richard Kraus (1902-1978 und Sohn von Ernst Kraus, der vor einem Jahrhundert ein gefeierter Wagner-Tenor und ein guter Freund Carusos war.
Richard Kraus und das Orchester der Deutschen Oper Berlin haben keine Angst vor Wagners Schatten und erzeugen ein kräftiges Klangbild. 
Ein wehmütiger Rudolf Schock und der sich mit Natur und Gott verbunden fühlende Primus Thaller fallen vollkommen zusammen.


Bariton Alfons Herwig

Schock, Heldenbariton Alfons Herwig (Dursel), die anderen 'Schweizer' und das Orchester machen aus dem Hör- ein hinreißendes Schauspiel. Achten Sie auf den unheilverkündenden Einsatz des Orchesters nach Primus' durchgreifendem 'Das klag' ich an!'. Man sieht die Franzosen in den Innenhof stürzen!




Krijn de Lege, 7.10.2018 

! Link zu Schocks Filmbiografie: https://www.youtube.com/watch?v=OgnTZlOtIeE


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

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Anonym hat gesagt…

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