20.05.13

RUDOLF SCHOCK SINGT EDVARD GRIEG


SONG (S) of NORWAY !

 

Rudolf Schock als Sänger klassischer Lieder war schon Schwerpunkt im Blogtext: 'Rudolf Schock singt Johannes Brahms'.
Es könnte aber überraschen, daß Schock außer Liedern von Schubert, Schumann, Brahms usw. auch Kunstlieder des norwegischen Komponisten Edvard Grieg für die Schallplatte sang.

EDVARD GRIEG
Foto von Nicola Perscheid (1864-1930)
Öffentliche Bibliothek Bergen (Norwegen)
























Doch ist das nicht so merkwürdig. Die Lieder von Grieg, der Musikstudent im deutschen Leipzig war, wurzeln in der späten, deutschen 'Romantik', es sei denn, daß sie manchmal moderner wirken: impressionistisch und freisinnig. Weiter komponierte er nicht nur auf norwegischen, sondern auch auf deutschen Texten. Das macht es verständlich, daß im 20. Jahrhundert deutschsprachige Sänger wie Richard Tauber und Rudolf Schock ein paar wohllautende 'Songs of Norway' in ihr Repertoire aufnahmen.

Das musikalischkreative Talent Edvard Griegs aus dem norwegischen Bergen lag nicht so sehr im Monumentalen. Das imponierende Opus 16, dem frühen 'Klavierkonzert in a-Moll', bildet die einsame Ausnahme. Denn andere großangelegte Klavierkonzerte kamen nicht zustande, und Griegs Versuche, eine Oper und eine Symphonie zu komponieren, scheiterten.
Edvard Griegs große Kunst lag im Kleinen: lyrischen Kostbarkeiten für Klavier (Grieg war auch ein ausgezeichneter Pianist!), stimmungsvolle Lieder und wirkungsreiche Bühnenmusik. Die Musik für das Theater arbeitete er nachher zu Suiten für Orchester um: Kompositionen für den Konzertsaal, die einen Plot instrumental, ohne Bühnenhandlung also, bildhaft nacherzählen. Besonders die beiden 'Peer Gynt-Suiten', Opus 46 und 55, die Grieg ursprünglich für Henrik Ibsens Schauspiel 'Peer (= Peter) Gynt' schrieb, wurden zu Lieblingen des Publikums.

Ein zweites, bedeutendes Verdienst Edvard Griegs war, daß es ihm gelang, die norwegische Musik in Europa salonfähig zu machen. "Es fiel (ihm) wie Schuppen von den Augen", als er sich 1864 mit Rikard Nordraak, Komponisten der norwegischen Nationalhymne und Altersgenossen, befreundete.

Rikard Nordraak
(1842-1866)
Verleger: F. Bruns Bokhandels Forlag in Trondheim
 




















Via Nordraak (der schon 1866 im 23-jährigen Alter an Tuberkulose sterben sollte) lernte Grieg die nordischen Volkslieder "und (seine) eigene Natur" kennen, und von diesem Moment an setzte er sich für die skandinavische Musik ein. Als Botschafter der nordischen Schule zog Grieg durch ganz Europa, was ihm in Cambridge und Oxford als 'Nebenfang' zwei Titel eines Ehrendoktors brachte.

NB:
Der Plot des amerikanischen Musicals 'Song of Norway' (Robert Wright & George Forrest schrieben 1944 zuammen Text und bearbeiteten Griegs Musik) behandelt locker die Periode der Freundschaft zwischen Edvard Grieg, Rikard Nordraak und Griegs späterer Gattin, der Sopranistin Nina Hagerup. Im Jahre 1970 wurde das Musical verfilmt, wobei man noch freier mit den historischen Fakten umging. Ein Jahr später nahmen Anna Moffo & Rudolf Schock Musicalfragmente in englischer Sprache auf, worunter das Duett 'Strange Music' aus 'Song of Norway'. Moffo sang Nina Hagerup und Schock Edvard Grieg.











RUDOLF SCHOCK singt LIEDER VON EDVARD GRIEG:
 
> 24.1.1965: 'O Mutter du, ich liebe dich' (Opus 58-2). Dirigent: Frank Fox.

Text in norwegischen Sprache
Du er min mor, jeg elsker dig,
dermed er alting sagt!
Du fødte mig, du plejed mig,
holdt om min barndom vagt.
Du er min mor....
 

Die Aufnahme geriet in die Irre auf einer LP mit 'Mutterliedern', einer Gattung, deren Nennung allein schon, manchem das musikalische Herz in die Hose rutschen läßt. Dennoch geht es dabei vielfach um respektable Unterhaltungslieder respektierter Komponisten wie Werner Richard Heymann, Wener Bochmann, Norbert Schultze, Gerhard Winkler, Frank Fox und Cesare Andrea Bixio. Vom Letztgenannten machte Benjamino Gigli das Filmlied 'Mamma' zum Hit. Einige Mutterlieder erinnern an die Salonlieder des späten 19. Jahrhunderts (siehe auch: 'RS singt Carl Bohm') und dürfen ruhig als deren Fortsetzung für die Wohnzimmer des 20. Jhts. gesehen werden: 'Music for the Millions', naiv, empfindlich, aber beliebt.
Übrigens, warum dürfte man wohl die Jahreszeiten, die Natur, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft , eine große Liebe und Babys in der Wiege besingen und nicht die eigene Mutter, aus der man geboren wurde?
Rudolf Schock sang sie con brio: Für Electrola auf einer EP in den Fünfzigern unter der Leitung von Wilhelm Schüchter, dem seriösen Konzert- und Operndirigenten, und für Eurodisc auf der LP 'Geliebte Mutter' in den Sechzigern unter dem Dirigenten und Filmkomponisten Frank Fox.

Im Lied 'O, Mutter, du... ('Til Norge') aus dem Jahre 1893 erklären der Dichter John Paulsen und Edvard Grieg die Liebe an 'Mutter Erde Norwegen'. Auffallend ist die Beredsamkeit durch Auslassung. Rudolf Schock bewegt mit der Schlußzeile: "Mehr kann ich dir nicht sagen":


> 6.2.1968 'Ich liebe dich' (Opus 5-3)  und 'Ein Traum' (Opus 48-6). Dirigent: Werner Eisbrenner.

Der Inhalt des ersten Liedes - aus dem Jahre 1866 und also eins von Griegs frühesten Liedern - kann in den Regeln "Du mein Gedanke, du mein Sein und Werden, ich liebe dich in Zeit und Ewigkeit!" zusammengefasst werden.
Das aus dem Dänischen übersetzte Lied (kam auch im Film 'Song of Norway' vor!) ist von niemand weniger als dem Literaturwissenschaftler Hans Christian Andersen (1805-1875), der durch seine genialen Märchen weltberühmt wurde.
Für 'Ein Traum' vertonte Grieg um 1888 herum einen Text von Friedrich von Bodenstedt. Ich zitiere hier die 5. und letzte Strophe, weil sie den Inhalt ausreichend zusammenfaßt:

"O frühlingsgrüner Waldesraum!
Du lebst in mir durch alle Zeit.
Dort ward die Wirklichkeit zum Traum,
Dort ward der Traum zur Wirklichkeit!"

Beide Liebeslieder - vor allem 'Ein Traum' - haben einen ungestümen Charakter. Sie werden von Rudolf Schock passioniert gesungen.


> 9.6.1973 'Im Kahne' (Opus 60-3). Dirigent: Werner Eisbrenner.

Möven, Möven in weißen Flocken!
Sonnenschein!
Enten stolzieren in gelben Socken
schmuck und fein.
Fahr', fahr' zum Fischerstrand,
ruhig ist es am Scheerenrand:
rings die See liegt so stille,
Wo-wo-wille.

Löse, löse mein Schatz, die dichte Lockenpracht,
dann laß' uns tanzen, die warme, lichte Juninacht.
Wart', wart' zu Sankte Hans (*)
gibt es Hochzeit mit lust'gem Tanz,
Geigen in Hülle und Fülle,
Wo-wo-wille.

Wiege, wiege mich, blanke Welle
immer fort!
Lieblich naht, wie die schlanke Gazelle,
mein Schätzlein dort.
Wieg', wieg' in Traum mich ein,
du bist mein und ich bin dein.
Geigen, schweiget nun stille...
Wo-wo-wille.
(* Sankte Hans: Mitsommerfest am 21. Juni)

Der ursprüngliche Titel von 'Im Kahne' lautet: 'Mens jeg venter (Auf dem Wasser)'. Das Lied erschien 1894 und greift auf ein altes Volkslied zurück. Der norwegische Text ist von Vilhelm Krag.
Das stets zurückkehrende 'Wo-wo-wille' gibt es nicht als Wort oder Wortgruppe. Der Dichter ahmt in Klängen das Wiegen des Kahnes auf dem Wasser nach. Mit 'Suja, suja' im niederländischen Wiegenlied 'Suja, suja kindje, slaap maar zacht (Suja, suja Kindchen, schlaf nur sachte)' zu vergleichen.


> Okt. 1976:  'Landerkennung' (Opus 31 - 1872). Dirigent des Berliner Symphonikers: Fried Walter. Es singt der Männerchor der Deutschen Oper Berlin unter Walter Hagen-Groll. 

Am epischen Chorwerk 'Landkjenning' - nach einem Gedicht von Björnstjerne Björnson - hat Grieg noch in vorgerücktem Alter Änderungen vorgenommen. Das Werk wurde für Männerchor, Baritonsolo (!) und Orchester geschrieben. Rudolf Schock singt seine beiden Strophen nach mehr als vier Minuten (das Werk dauert sieben), wenn König Olav Trygvason ein heroisches Gebet zum Himmel schickt.

Der Inhalt
fußt auf historischen Begebenheiten am Ende des 11. Jhts.
Der in sehr jungem Alter verbannte, nordische König Olav Trygvason (964-1000) steuert nach 30 Jahren auf die Heimat zu, um seinem Volk das Christentum zu bringen. Beim Emporsteigen der unzugänglichen, dunklen Küste Norwegens droht Olav allen Mut zu verlieren.
Auf einmal aber erkennt er durch den Hinweis eines Untertans "hochragend graue Tempelmauern und schneeweiße Kuppeln" und überblickt er Länder, die sich mit Wasserfällen und Wäldern in Frühlingspracht auftun. Er hört Orgeln und Glocken, und wie durch einen Zauberschlag umfängt ihn eine tiefe Sehnsucht: er lobt den Allerhöchsten, von Dem er ganz erfüllt ist und betet um einen bleibenden, festen Glauben. Darauf stimmen seine Männer ins Gebet des Fürsten ein.

Krijn de Lege, 18.6.2013/26.7.2015/26.11.2018/23.7.2021

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