22.03.11

RUDOLF SCHOCK SINGT MILI BALAKIREW & NIKOLAI RIMSKY-KORSAKOW


Im Jahre 1985 produziert Acanta (Fonoteam GmbH, Hamburg) zum Schocks 70. Geburtstag unter dem Titel 'Collection Rudolf Schock' eine Vielzahl LP-Premieren aus der Periode 1946 - 1956. Es handelt sich dabei um Oper, Operette und acht russische Lieder.
Die Lieder füllen die letzte Schallplattenseite der Doppel-LP 'Russische Opern, Lieder und Romanzen' (Acanta 40.23.550), worauf Rudolf Schock Musik von Mussorgsky, Tschaikowsky, Dargomyschski, Rimsky-Korsakow, Glinka und BALAKIREW singt.














Mily Alexejewitsch Balakirew (1837-1910) und etwas früher - Alexander Dargomyschski (1813-1869) werden für die Musik von Michail Glinka (1804-1857) entdeckt, dem ersten russischen Komponisten, dem es gelingt, eine nationale, jungrussische Musikkultur auf die Beine zu stellen.
In dessen Kielwasser versammelt der energische Balakirew etwa 1865 eine Gruppe von Komponisten um sich, die die westlichen (Opern-) Einflüsse aus Italien und Frankreich mit der eigenen Volksmusik zu verbinden versuchen. Diese Gruppe, die sich selbst 'Les Cinq (Die Fünf)' nennt und von Zeitgenossen ironisch als 'mächtiges Häuflein' angedeutet wird, besteht aus:
 Oben v.l.n.r. und dann unten links u. rechts: Mussorgsky (1839-1881),
 Borodin (1833-1887), Rimsky Korsakow / Balakirew und Cui (1835-1918).
 Die Dame, Comtesse de Mercy-Argenteau, ist die Förderin der Gruppe.




















Die Doppel-LP 'Russische Opern, Lieder und Romanzen' (1985) ist interessant, weil fünf der genannten, russischen Komponisten darauf vorkommen. Nur Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893), von dem Schock auf den LPs auch Werk singt, lenkte künstlerisch (teilweise) in andere Bahnen ein.

















Weiter dokumentieren die Aufnahmen das Berliner kulturelle Klima in den ersten Nachkriegsjahren und politische Entwicklungen danach: man macht ein musikalisches Überholmanöver, wodurch z. B. russische Komponisten, die selten oder nie mehr gespielt worden sind, auf einmal überall in aller Freiheit ausgeführt werden.
Zugleich bekommt der dann 31-jährige Rudolf Schock - mehr oder weniger im letzten Augenblick - die Gelegenheit in West UND Ost eine politisch neutrale Sängerkarriere aufzubauen.

Nikolai Rimsky-Korsakow (1844-1910)












U.a. in Ostberlin tritt Rudolf Schock 1947* in der russischen Oper 'Sadko' von Nikolai Rimsky-Korsakow auf. Das 'Hindulied' daraus singt er so schön, dass die Sowjets ihn dringlichst bitten, in ihrem Ostberliner Rundfunkstudio aufzutreten ("Sie haben die Seele in der Stimme, die wir Russen so lieben" lässt Schock stolz in seiner Biographie aufzeichnen).

(10.4. 1947: Premiere Sadko von Rimsy-Korsakow
Deutsche Erstaufführung, Dirigent Johannes Schüler, Inszenierung Ernst Legal. Mit u.a. Margarethe Klose, Erna Berger, Anneliese Müller, Ludwig Suthaus, Jaro Prohasko, Willy Pollow, RUDOLF SCHOCK, Paul Brauer, Walter Stoll und GERD RICK (Rudolf Schocks Bruder))       
   
Rudolf Schock nimmt in Ostberlin allerhand auf. Darunter russische Lieder, Szenen aus Opern von Glinka und Tschaikowsky, die Rolle von Hermann in einer Gesamtaufnahme von Tschaikowskys 'Pique Dame' und die Rolle von Juri in der russischen (!) Operette 'Die Brautschau' von Juri Sergejewitsch Miljutin.

Rudolf Schock singt 'Grusinisches Lied' von Mily Balakirew:

Das 'Grusinische Lied' (Grusinien= Georgien) ist ein wehmütiges Lied über das nagende Zurückverlangen nach einer Jugend in der fernen Heimat: 'O, lass dein Singen, schöne Maid/Dein grusinisches Lied voll trüber Klagen erweckt in mir der Sehnsucht Leid/nach fernem Land und schönen Tagen...'.

Irgendwann zwischen 1858 und 1860 vertonte Mily Balakirew die wirkungsvollen Verse. Angenommen wird, dass sie vom Dichter Alexander Puschkin (1799-1837) stammen. Die Poesie Puschkins regte Tschaikowsky zum Komponieren der Opern 'Eugen Onegin' und 'Pique Dame' an.

Rudolf Schock nimmt Balakirews 'Volkslied' 1948 vor dem Ostberliner Rundfunkmikrophon auf. Die Ausführung ist von zeitloser Schönheit. Schock wird am Klavier von Erhard Michel begleitet. Fast 40 Jahre schlummerte das Lied in den Rundfunkarchiven der ehemaligen DDR. Im Jahre 1985 erschien es auf LP. Später auch auf CD. 

Krijn de Lege, 22.3.2011 / 4.9.2021

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