RUDOLF SCHOCK SINGT MELODIEN AUS AMERIKANISCHEN OPERETTEN UND (FILM-)MUSICALS
New York 1886:
Enthüllung der
Freiheitsstatue
Es könnte für einige Leser eine Überraschung gewesen sein, dass Rudolf Schock während seiner langen Sängerlaufbahn oft klassische Lieder sang, in Oratorien und Messen oder sogar in 'zeitgenössischen' Opern von zum Beispiel Igor Strawinsky und Alban Berg auftrat. Selbst könnte es denkbar sein - gewiss in den Niederlanden - , dass viele nicht wissen, dass Schock zwischen 1936 und 1963 vor allem Opernsänger war. Die zahlreichen Opern-CDs mit Rudolf Schock, die man heutzutage bestellen kann, liefern hierfür einen zuverlässigen Beweis.
Dessenungeachtet bezeichnet mancher den Sänger immer wieder als einen Sänger von Operetten. Das kommt nicht an letzter Stelle durch die vielen Operettenprogramme, woran Schock im Fernsehen und Konzertsaal mitgearbeitet hat. Ausserdem sang er auch eine ganze Menge Operette in den Plattenstudios, und deren Aufnahmen sind schon Dezennien beinahe ununterbrochen erhältlich. Beinahe, denn er nahm in diesem Bereich Unerwartetes auf. Es gibt dadurch beispielsweise die Möglichkeit, aus Schock-Aufnahmen eine bemerkenswerte Doppel-CD zusammenzustellen, worauf er Musik aus amerikanischen Operetten und (Film-)Musicals singt. Damit tritt er in die Spuren von Künstlern wie Gordon Mac Rae, Howard Keel, Nelson Eddy, Robert Merrill, Bing Crosby und Maurice Chevalier. Die ersten Drei waren Baritons und Musical-Koryphäen, Robert Merrill (auch Bariton) war hauptsächlich Opernsänger und die beiden Letzten nenne ich schlechthin 'Chansonniers'. Nelson Eddy sang auch Oper und Robert Merrill auch Musical. Der von mir schon öfters zitierte, niederländische Opernkenner Leo Riemens schrieb anfangs der 70er Jahre, dass der namhafte dänische Helden- und Wagnertenor Lauritz Melchior (dieser debütierte 1913 übrigens als Bariton!) in der Spätphase seiner Karriere Musicalmelodien für die Schallplatte eingesungen hätte. Melchiors Mix von ausländischem Akzent und persönlichem Gesangsstil kam Riemens wieder in die Erinnerung, als er sich Rudolf Schock im Musical-Repertoire anhörte.
Gordon Mac Rae und Shirley Jones in 'Oklahoma' (Rodgers)
Bei näherer Betrachtung ist Schocks Abstecher ins amerikanische Musical eigentlicht nicht fremd. Im Laufe der Musikgeschichte entwickelt sich die Operette aus der Oper und das Musical aus der Operette. Und wieder gilt, dass es oft unmöglich zu definieren ist,was wohl oder nicht in welche Schublade passt. Die Grenzen zwischen den Gattungen sind vage, und die grauen Übergangszonen breit. Überdies bringen allerhand Kriterien uns ganz durcheinander: bald wäre die Zahl der Beteiligten in den verschiedenen Szenen entscheidend (grosse Zahl bedeutet Oper, kleine Zahl Operette), bald die satirischen Absichten (Operetten ohne Satire wären - wie manche Opern- und Operettenkenner urteilen - überhaupt bedeutungslos). Andere entscheiden auf der (häufig subjektiven) Grundlage des inhaltlich und/oder musikalisch hohen oder niedrigen Niveaus, und manche suchen die Lösung in den wohl oder nicht anwesenden, gesprochenen Dialogen. Ich bekomme den Eindruck, dass nicht selten die Zeit, in der ein musikdramatisches Werk entstanden ist, bei einer späteren Ordnung, also hinterher, bestimmend war. Bizets (für die Hauptrollen) katastrophal ausgehende Oper 'Carmen' ist bleibend zur Schublade der Opéra COMIQUE verurteilt worden. Millöckers 'Bettelstudent' macht inmitten 'offiziell' komischer Opern keine schlechte Figur, aber wird nach wie vor als 'Operette' eingestuft. Die Johann Strauss-Operetten 'Zigeunerbaron' und besonders 'Fledermaus' werden dagegen in der musikalischen Ausführungspraxis oft zum Opernrepertoire gerechnet.
Carousel
(Rodgers)
Unausrottbar ist die Auffassung, dass Operetten und Musicals 'gute Laune' voraussetzen: die Hauptrollen in den späteren Operetten von Franz Lehár sind gar nicht gut gelaunt, weil sie ihre grosse Liebe aufgeben müssen und einsam zurückbleiben. Manche Opern aber kennen gerade wohl ein Happy-End. Die Operetten von Jacques Offenbach dürften - was mich betrifft - komische (oder satirische) Opern heissen, und eine 'Grosse Sünderin' (Operette von Künneke) hätte meine Erlaubnis, auf der grossen Opernbühne weiter sündigen zu dürfen. Die Operetten 'Im Weissen Rössl' (Benatzky) und 'Maske in Blau' (Raymond) sind eigentlich 'Musical Comedies' und vieles von Stolz, Kreuder u.a. kommt in die Nähe des (Film-)Musicals. Das Schicksal von Verdis Aida und ihrem Geliebten Radames gestaltet sich im Musical nicht milder, und dasselbe ist der Fall in der Musical-Erzählung über 'Miss Saigon', in der wir (nur was den Plot betrifft) mühelos Puccini's 'Madame Butterfly' wiedererkennen. Bernsteins berühmtes Musical ' West Side Story' ist eine moderne Version von Shakespeares Bühnenstück 'Romeo und Julia', und Sie wissen, wie traurig ihre Geschichte endet.
Kurz: Rudolf Schock hat dadurch, dass er aus amerikanischen Operetten und Musicals sang, seine künstlerischen Grenzen nicht überschritten. Und wenn wir trotzdem von Schocks 'Grenzen' reden, hoffe ich mit diesem Feuilleton deutlich zu machen, dass seiner Vielseitigkeit kaum Grenzen zu setzen sind. Gerade darum muss ich 'weiter, immer weiter' schreiben. Sehen Sie ein, wie lange Carl Zeller und sein 'Vogelhändler' noch auf sich warten lassen?
VON DER WIENER ZUR AMERIKANISCHEN OPERETTE
Alles fängt mit dem irischen Cellospieler Victor Herbert (1859 - 1924) an. Der junge Herbert reist von Dublin nach Wien, heiratet dort eine österreichische Sängerin und wandert letzten Endes mit ihr, dem Cello und dem Vorhaben, 'Wiener' Operetten zu schreiben, nach New York aus. Im Jahre 1897 erntet seine Operette 'Serenade' viel Beifall. Darauf folgen u.a. 'Naughty Marietta' und 'The Red Mill', die natürlich in den Niederlanden steht.
Aus Wien kommt der in Südungarn geborene Pianist und Violinist Sigmund Romberg (1887 - 1951) , der zum Kreise Lehárs gehörte und von Richard Heuberger Musiktheorie-Stunden bekam. Zuerst arbeitet er für den amerikanischen Markt einige Wiener Operetten um: Aus Walter Kollos 'Wie einst im Mai' wird 'Maytime' (1917) und aus Schubert-Bertés 'Dreimäderlhaus' entsteht 'Blossom Time' (1921). Aber dann gibt es 1924 'The Student Prince', die eigene Operettenbearbeitung des Studentenstücks 'Alt-Heidelberg' von Meyer-Förster, woraus ein dynamisches Trinklied später zum Welterfolg des Tenors Mario Lanza werden sollte. Es dauert nur zwei Jahre, bevor der Siegeszug des Studentenprinzen von einem neuen Romberg-Erfolg übertönt wird, und zwar vom 'Desert Song' . 'Das Lied der Wüste' spielt sich im marokkanischen Rif-Gebirge ab und wird nach einem Libretto von Oscar Hammerstein dem Zweiten (1895 - 1960) zum Klingen gebracht.
Rudolf Friml & (rechts) Sigmund Romberg
Oscar Hammerstein der Erste (1848 - 1919, in Stettin geboren und der Grossvater Hammersteins des Zweiten) schreibt die Texte für eine andere, berühmt gewordene Operette, die 1924 in Premiere geht und von einer dritten Größe aus der amerikanischen Operettenwelt in reizendeTöne gesetzt wird: Rudolf Friml (1879 - 1972). Dieser Prager Klavierspieler komponiert zuerst Klavierkonzerte, aber wirft sich dann auf das Schreiben von Operetten nach ''leidenschaftlichen Büchern''. Und so entsteht u.a. ' Rose Marie' von Friml/Hammerstein 1, eine Geschichte über Liebe, Mord und Totschlag in den kanadischen Bergen und mit Songs, die angefangen haben zum Weltrepertoire zu gehören ('Oh, Rose Marie, I love you' und 'Indian Love Call').
VON DER OPERETTE ZUM (FILM-)MUSICAL
Wüstensand in Marokko, Romantik in Kanada, Studentenfreud und -leid im europäischen Heidelberg machen jetzt der amerikanischen Wirklichkeit Platz, und das reichhaltige Musikidiom des Jazz vergrössert die Ausdrucksmöglichkeiten neuer Komponisten wie Jerome Kern (1885 - 1945), Irving Berlin (1888 - 1989) und George Gershwin (1898 - 1937).
Um das amerikanische Musikdrama literarisch auf ein höheres Niveau zu bringen, melden sich junge, vielversprechende Textbuch-Autoren. Neben den inhaltlich oberflächlicheren 'Musical Comedies', die in der europäischen Tradition wurzeln, blühen in der Neuen Welt 'Musical Plays', realistische Dramen ohne Sentimentalität auf. Bernhard Grun vertritt in seiner begeistert verfassten 'Kulturgeschichte der Operette' sogar die Meinung, dass aus den 'Musical Plays' "die Endform der Operette gestaltet" wurde.
Israel Baline, in Siberien geboren, flieht in vierjährigem Alter zusammen mit seinen Eltern und sieben kleinen Brüdern und Schwestern rechtzeitig vor den Kosaken, die im Judenviertel, worin sie leben, die Häuser in Brand stecken und die Einwohner umbringen. Die Fluchtbestimmung ist New York, wo Israel Baline, der inzwischen Irving Berlin heisst, 1921 seinen ersten Welthit komponiert: 'Alexander's Ragtime Band' Andere grosse Hits folgen: die Songs 'God Bless America', 'Remember', 'Always', 'Easterparade', die musikalische Show 'This is the Army' und das Paradebeispiel für die 'Musical Comedy' 'Annie Get Your Gun' mit dem Superhit 'There's no business like show business' (1147 Vorstellungen en suite und das allein schon am Broadway!). Im Jahre 1942 säuselt Bing Crosby im Film 'Holiday Inn' Berlin's 'I'm dreaming of a White Christmas'.
Im Jahre 1927 wagt Jerome Kern den entscheidenden Schritt zum 'Musical Play'. Er schreibt die Musik für 'Showboat', nach einem Roman mit gleichem Titel von Edna Ferber. Oscar Hammerstein der Zweite verfasst die Texte. 'Showboat' handelt von gewöhnlichen Menschen auf einem fahrenden Theaterschiff. Der Fluss, worauf das Boot fährt, ist der Mississippi, der in den Erstaufführungen am Broadway und in London vom Negersänger Paul Robeson besungen wird ('Ol'man river').
Der Autodidakt George Gershwin verbucht 1919 seinen ersten (Platten-)Erfolg mit 'Swanee' (von Al Jolson gesungen). Mehr als zwei Millionen Schallplatten von Gershwins (und Jolsons) 'Swanee' werden verkauft. Gershwins grosses Erfolgsjahr wird 1924. Dann veröffentlicht er seine 'Rhapsody in Blue'. Danach machen u.a. die Shows 'Funny Face', 'Strike up the Band' und eine Satire über die Regierung in Washington: 'Of Thee I Sing' ihn über die ganze Welt 'famous'. Im Jahre 1928 denkt er sich während einer Eisenbahnfahrt das 'symphonische Gedicht' 'An American in Paris' aus. 'An American in Paris' mutet mich als eine 'Lost in Translation' des 20. Jhts an. 'Lost in Translation' ist der schöne Oscarfilm aus dem Jahre 2003 mit Bill Murray und Scarlett Johansson, worin ein Amerikaner (Murray) sich zu kommerziellen Zwecken in Einsamkeit und von Heimweh erfüllt in Tokyo aufhält. Er erlebt die Großstadt als chaotisch. Für den 'American' von Gershwin ist Paris schon weit genug, aber genauso chaotisch. Auch er fühlt sich einsam, hat ab und zu heitere Augenblicke, aber meistens Heimweh, und in seinem Kopf geistert wiederholt jene wehmutsvolle Melodie, die wir auch aus Gershwins allerberühmtestem 'Musical Play' (oder Oper) 'Porgy and Bess' (1935) kennen: 'There's a Boat dat's Leavin' Soon for New York'.
Im selben Jahr (1928) geht auch der Film 'The Singing Fool' mit dem sogenannten 'Negersänger' Al Jolson als dem 'Singenden Narren' in Premiere.
Poster
Al Jolson
Al Jolson (1886 - 1950) ist in diesem Moment ein gefeierter Star durch seine Filmrolle in 'The Jazz Singer' (1927), der - mit Musik von Irving Berlin - als allererster Tonfilm in die Geschichte hineingeht.
In 'The Singing Fool' wird Jolson von seiner Frau verlassen, die ihren dreijährigen Sohn ('Sonny Boy') mitnimmt. Der zurückbleibende Sänger singt einen schmerzlichen Foxtrott, der - wie sentimental auch - den Zuschauer überwältigt. Die Musik dieses herzzerreissenden 'Sonny Boy' ist von Lew Brown und Ray Henderson, und die Worte sind von Buddy G. DeSylva. Al Jolson besteht darauf, dass sein Name den drei anderen hinzugefügt wird. Ich glaube, dass Paul Abraham an Al Jolson gedacht haben muss, als er seinem Publikum in der Operette 'Die Blume von Hawai' (1931) 'den (echten) Negersänger Jim Boy' mit dem Song 'Bin nur ein Jonny' vorstellte.
EIN ERFOLG NACH DEM ANDERN!
Der Siegeszug des Musicals zieht weiter:
Der Komponist Richard Rodgers (1902 - 1979) arbeitet zuerst mit dem Textdichter Lorenz Hart zusammen (u.a. 'Pal Joey' 1941 und das Lied 'With a Song in my Heart'). Lorenz Hart wird krank und stirbt. Rodgers sucht Kontakt mit 'Showboat'-Textdichter Oscar Hammerstein dem Zweiten. Ein Erfolg folgt jetzt dem andern: 1943 erscheint das 'Musical Play' 'Oklahoma' mit u.a dem Duett 'People will say, we're in love', 1945 'Carousel' mit u.a. 'You'll never walk alone', 1949 'South Pacific' und 1959 'The Sound of Music'.
Das Komponisten- und Textdichterduo Robert Wright (1914 - 2005) und George Forrest (1915 - 1999) ernten viel Erfolg mit 'Song of Norway' (1944), wofür sie sich übrigens die Musik von Edward Grieg 'leihen'.
Cole Porter (1891 - 1964) macht seine eigene Musik und die eigenen Texte. Im Jahre 1932 schreibt er für Fred Astaire das Musical 'The Gay Divorce' (mit dem stimmungsvollen 'Night and Day'), 1934 'Anything Goes' 1939 'Dubarry was a Lady', 1946 'Around the World' und 1948 sein Meisterstück nach Shakespeare: 'Kiss me, Kate'. 'Can-can', 'Silk Stockings' und das Filmmusical 'High Society (1957) mit Bing Crosby, Grace Kelly und Jazz-Trompeter Louis Armstrong sollten noch folgen. Das nette Duett 'True Love' aus 'High Society' wird zum Evergreen!
Komponist Frederick Loewe (1901 - 1988) bildet mit Textdichter Alan Jay Lerner (1918 - 1986) das x-te bedeutungsvolle Musical-Duo. Es erzielt 1947 seinen ersten Erfolg mit dem schottischen Märchenmusical 'Brigadoon'. Loewe wird in Berlin geboren und tritt schon im Alter von 13 Jahren als Pianist zusammen mit dem Berliner Philharmoniker auf. Musikstunden bekommt er von Busoni, Von Reznicek und d'Albert. Im Jahre 1924 wandert er nach Amerika aus. Anfangs halten amerikanische Musikproduzenten ihn für 'zu wienerisch', aber dann begegnet er Alan Jay Lerner und fängt ihre Zusammenarbeit an. 'Brigadoon' wird 1947 zum 'Besten Musical-Drama' ausgerufen. 1951 erscheint 'Paint your Wagon' und dann - im Jahre 1956 - das Musical, das wie eine Bombe am Broadway einschlägt: 'My Fair Lady', nach Bernard Shaws 'Pygmalion'. In den Jahren 1958 und 1960 gehen schliesslich noch 'Gigi' (als Filmmusical) und 'Camelot' in Premiere. Danach komponiert Frederick Loewe nichts mehr. Mit dem späteren, nach dem Film aus 1958 geschriebenen Musical 'Gigi' (1974) lässt er sich nicht mehr ein. Lerners Versuche, ihn dazu zu überreden, scheitern.
Die Erfolgsgeschichte des Musicals dauert bis zum heutigen Tag an. Immer wieder wurden Werke geschrieben, die sich als Welterfolge entpuppten: 'Oliver' von Lionel Hart, 'Cabaret' von John Kander, 'Cats' usw. von Andrew Lloyd Webber, um einige zu nennen. Einen Riesenwelterfolg habe ich aber noch nicht genannt. Er muss sofort in den Vordergrund gerückt werden: 'West Side Story' aus dem Jahre 1957!
Dirigent, Pianist únd Komponist LEONARD BERNSTEIN (1918 - 1990) springt 1943 bei einem Konzert Hals über Kopf als Dirigent des New York Philharmonic für Bruno Walter ein. Sein Erfolg ist immens. Publikum und Presse jubeln. Er ist über Nacht ein Star geworden. Konzerte mit Bernstein sind von diesem Augenblick an wahre Feste! Er akzeptiert keinen Unterschied zwischen U- und E-Musik. Gute oder schlechte Musik: that's the question. 1944 komponiert Bernstein Ballettmusik für den Choreografen Jerome Robbins und dirigiert sie selbst. Im selben Jahr erscheint sein erstes Musical 'On the Town'. Ballettmusik bleibt ein Schwerpunkt in seinen musikalischen Aktivitäten. 1956 findet die Erstaufführung von 'Candide' (nach Voltaire) statt. Weiter tritt er als Konzertpianist auf, wobei er zugleich vom Flügel aus das Orchester dirigiert. Im Fernsehen leitet er Konzerte für Jugendliche. Die Erläuterungen spricht er mit viel Humor selber. 'West Side Story' wird zum ersten Male im Jahre 1957 ausgeführt. Die Choreografie der grandiosen Tanz-Szenen wird von Jerome Robbins ausgeschrieben und einstudiert. Das Libretto ist von Arthur Laurents, und die Songtexte von Stephen Sondheim. Der Sohn Oscar Hammersteins des Zweiten brachte Sondheim und Bernstein (Foto!) zusammen (Später sollte Sondheim mit dem Musical 'Sweenie Todd' und dem wunderschönen Lied 'Send in the Clowns' auch als Komponist bekannt werden). 1989 dirigiert Leonard Bernstein in Berlin aus Anlass des Mauerfalls die 'Neunte' von Beethoven. Er ändert die Schiller-Überschrift 'Ode an die Freude' in 'Ode an die Freiheit'.
'The Musical Play' 'WEST SIDE STORY' verlegt die Handlung von Shakespeares 'Romeo und Julia' nach New York im Jahre 1957. Die beiden Familien, die einander nach dem Leben trachten, werden vom Librettisten in zwei Gangs umgebildet: die 'Jets'(weisse Amerikaner) und die 'Sharks' (Puertoricaner). Tony ist amerikanisch und Maria puertoricanisch. Die Handlung verläuft parallel mit der von Shakespeare. Zum Beispiel die berühmte Balkon-Szene aus 'Romeo und Julia' ist in 'West Side Story' zur Szene auf und unter einer Feuertreppe geworden.
RUDOLF SCHOCK SINGT LEONARD BERNSTEIN U.A.
Wie ich am Anfang dieses Aufsatzes schon schrieb, könnte man um Rudolf Schock eine Doppel-CD mit Musik aus amerikanischen Operetten und Musicals zusammenstellen. Zugleich könnte diese CD als auditive Illustration für die Entwicklungsgeschichte des amerikanischen 'Musical-Dramas' dienen:
RUDOLF SCHOCK
SINGT
AUS AMERIKANISCHEN
OPERETTEN & (FILM-)MUSICALS
Romberg, Friml, Berlin, Kern, Porter
Brown/Henderson, Wright/Forrest
Rodgers, Loewe, Bernstein
EXTRA:
LEONARD BERNSTEIN DIRIGIERT GERSHWIN
mit den folgenden Tracks:
Weil Alleskönner Leonard Bernstein in dieser Schock-Kompilation nur als Komponist vertreten ist, schien es mir angemessen, ihn auch als George Gershwin-Dirigenten (únd Pianisten in 'Rhapsody in Blue'!) aufzunehmen. Gershwins Musik spritzt fast buchstäblich aus den Rillen. Es ist ein komplettes Feuerwerk, und ich frage mich, warum ich jene alte 25 Cm-LP erst jetzt auf CD gebannt habe.
Mehrere Male ist die kosmopolitische Sopranistin Anna Moffo (1933 - 2007) zu hören, die im Frühling des Jahres 1971 mit Rudolf Schock, der sich kurz davor von einer Herzattacke erholt hat, eine LP mit deutschsprachiger Operette und eine LP (Eurodisc 85 110 TE) mit Musik aus amerikanischen Operetten und Musicals aufnimmt. Einer von Schocks festen Dirigenten Werner Eisbrenner (1908 - 1981) dirigiert den Berliner Symphoniker in diesen Moffo/Schock-Duetten.
Das Duett mit der Sopranistin Erika Köth aus 'Carousel' von Rodgers/Hammerstein dem Zweiten ('Tausend Sterne' auf Englisch: 'If I Loved You') wurde mir vom Schockspezialisten Herrn Ludwig Stumpff zugeschickt, wofür auch hier tausendmal Dank! Dieses Duett war in den Sechzigern und als musikalischer Wunsch im Jahre 2003 im Fernsehen zu hören.
Die ältesten Aufnahmen aus 'Rose Marie' und von 'Heimweh' sind auf CD erhältlich (Membran-Documents).
Die neueren'Aufnahmen + 'Sonny Boy' standen auf LPs mit den Nummern Eurodisc 88 957 OE ('Rose Marie') und Eurodisc 88 955 OE ('Heimweh' und 'Sonny Boy').
Die Herkunft des Liedes 'Ich erinnere mich gern' ist wissenswert. Es ist eine der letzten Schallplatten-Aufnahmen von Rudolf Schock und wird als eine Art von autobiographischer Einleitung für eine grosse Fernseh-Show (ZDF 1983) gesungen, worin der zurückblickende Sänger selber im Mittelpunkt steht. Die Show trägt denn auch den Titel: 'Ich erinnere mich gern'. Die Melodie dieses Liedes wurde von Frederick Loewe komponiert und in seinem Filmmusical 'Gigi' aus dem Jahre 1958 gesungen. In diesem Musical spielten und sangen die junge Filmschauspielerin Leslie Caron und der weitbekannte, ältere Schauspieler und Charmeur Maurice Chevalier (siehe Foto). Es ist Chevalier, der das Lied 'I remember it well' (in Duett mit einer bejahrten Dame) singt (oder besser: 'spricht'). 1983 wird Lerners Text umgeschrieben und auf Schocks Sängerkarriere konzentriert. Noch im Jahre 1983 erscheint eine LP mit Aufnahmen aus der Show, worunter Schocks 'Ich erinnere mich gern'(Ariola 205 636 - 366). Es ist verlockend, anzunehmen, dass die Idee, aus dem Chevalier-Song ein Schock-Lied zu machen, auf mindestens zwei Tatsachen beruht: 1) Auf Seite 6 der kleinen Schock-Biographie, die Friedrich Herzfeld 1962 publiziert (siehe 'Rudolf Schock in allerhand Literatur') schreibt Herzfeld, dass Rudolf Schock mit Stolz über sein elterliches Haus spricht und darin "Maurice Chevalier gleicht, dem er übrigens auch in manchem anderen Wesenszug ähnelt" und 2) Auf Seite 340 von Schocks grosser Biographie (1985) zitiert Schock einen Satz aus einer Kritik der New York Times anlässlich einer konzertanten Ausführung der 'Lustigen Witwe' in der Carnegie Hall. Die Zeitung schreibt: "Rudolf Schock hat als Danilo den Charme Maurice Chevaliers". Schock fügt aber sofort hinzu: "Der Vergleich freute und ehrte mich, allerdings hatte ich mich selber nie so gesehen". Es wäre also sehr wohl möglich, dass man hier von einem Zusammentreffen verschiedener Umstände sprechen könnte, und dass ich völlig danebenhaue!
DIE AUFNAHMEN AUS AMERKANISCHEN 'MUSICAL-DRAMAS'
stammen aus verschiedenen Perioden von Schocks Laufbahn. Die 'Serenade' (Romberg), die Ende 1978 unter Fried Walter (1907 - 1996) aufgenommen wurde, klingt selbstverständlich vokal nicht mehr so bezaubernd schön wie die beiden 'Rose Marie'-Songs aus dem Jahre 1950, aber sie hat Augenblicke, worin Schock doch das Herz berührt. Das geschieht auch in 'Maria!' aus 'West Side Story' (1971). Mit allem Gefühl für Drama, woran er so reich ist, wirft sich Schock in Tonys Lied und schafft damit die tiefgefühlte Emotion, woraus sich das darauf folgende Feuertreppenduett entwickelt. Anna Moffo's Stimme färbt warm und angenehm dunkel. Es ist eine extra Attraktion, dass Moffo und Schock die Operetten- und Musicalszenen in englischer Sprache darstellen. Schock singt äusserst konzentriert und die baritonale Stimmfarbe eignet sich ideal für diese Musikgattung. Eine an und für sich anspruchslose Melodie wie 'True Love' erfährt durch solche erfahrenen Stimmen ein betäubendes Facelifting.
(PM: Ich erinnere daran, dass Schock 1949 von Irving Berlins 'Heimweh' auch die ursprüngliche amarikanische Version 'Always' aufnahm. Im Jahre 2012 kam sie auf CD heraus. Auch in deutscher Sprache halte ich aber 'Heimweh' für ein eindrucksvolles Lied, und gewiss auf die einfühlsame und doch nicht sentimentale Weise, wie Schock es singt. 1966 ist seine Darstellung noch durchdachter. Er führt in solchen Liedern (Chansons u.d.) ein natürliches und ehrliches Sentiment, womit er auch in einer 'Halbschnulze' wie 'Sonny Boy' den Hörer überzeugt. Er schluchzt nicht á la Jolson auf, aber lässt in aller Einfachheit hören, dass der Tenor Rudolf Schock für so ein Lied ein mindestens ebenso beseelter Darsteller ist).
Krijn de Lege, 2008/2014
"...neither Callas nor Caruso were without weaknesses, but they had an energy, that appeals to the listener and stimulates and captures the imagination. In the best of his recordings Rudolf Schock also shows exactly this quality..." (Miquel Cabruja 20.7.2004) and "...a voice for the nostalgic - but fascinating for younger vocal fans as well" (collectors-edition 2013 emi/warner-classics..."
10.11.08
RUDOLF SCHOCK ZINGT LEONARD BERNSTEIN E.A.
RUDOLF SCHOCK ZINGT MELODIEËN UIT AMERIKAANSE OPERETTES EN (FILM-)MUSICALS
New York 1886:
Onthulling v/h
Vrijheidsbeeld
Het kan voor sommige lezers een verrassing zijn geweest, dat Rudolf Schock gedurende zijn lange zangersloopbaan veelvuldig klassieke liederen zong, in oratoria, missen en zelfs 'eigentijdse' opera's van Igor Strawinsky en Alban Berg optrad. Ook is het - zeker in Nederland - nog mogelijk, dat velen niet weten, dat Schock tussen 1936 en 1963 vooral operazanger was. Het grote aantal opera-cd's met Rudolf Schock, dat vandaag de dag te bestellen is, levert hiervoor een betrouwbaar bewijs.
Desondanks bestempelt menigeen de zanger telkens weer als een zanger van operettes. Dit komt niet in de laatste plaats door de vele operette-programma's, waaraan Schock op tv en in de concertzaal in de jaren zestig en zeventig heeft meegewerkt. Bovendien zong hij ook heel wat operette in de platenstudio's en de opnamen daarvan zijn al decennia bijna onafgebroken verkrijgbaar. Bijna, want onder die opnamen zijn nog een aantal surprises. Het blijkt daardoor bijvoorbeeld mogelijk uit Schock-opnamen een opmerkelijke dubbel-CD samen te stellen, waarop hij muziek uit Amerikaanse operettes en (film-)musicals zingt. Daarmee treedt hij - mogelijk voor velen onverwacht - in de sporen van artiesten als Gordon Mac Rae, Howard Keel, Nelson Eddy, Robert Merrill, Bing Crosby en Maurice Chevalier.
De eerste drie waren baritons en musical-grootheden, Robert Merrill (ook bariton) was hoofdzakelijk operazanger en de laatste twee noem ik eenvoudigweg 'chansonniers'. Nelson Eddy zong ook opera en Robert Merrill ook musical.
De door mij al vaker geciteerde Nederlandse opera-deskundige Leo Riemens schreef begin jaren zeventig, dat de befaamde Deense helden- en Wagnertenor Lauritz Melchior (Melchior debuteerde in 1913 overigens als bariton!) in zijn nadagen musical-melodieën voor de grammofoonplaat opnam. Melchiors mix van buitenlands accent en persoonlijke zangstijl kwam Riemens weer in de herinnering, toen hij Rudolf Schock in het musical-repertoire beluisterde.
Gordon Mac Rae
en Shirley Jones
in
'OKLAHOMA'
(Rodgers)
Bij nader inzien is Schocks uitstapje naar de Amerikaanse musical eigenlijk niet vreemd. In de loop van de muziekgeschiedenis ontwikkelt zich de operette uit de opera en de musical uit de operette. En weer geldt, dat het vaak onmogelijk is te definiëren wat nu wel of niet in welk hokje past. De grenzen tussen de genres zijn vaag en de grijze overgangsgebieden groot. Bovendien buitelen allerlei criteria over elkaar heen: nu eens is de structuur van grote (in de opera) of kleine (in de operette) ensembles bepalend, dan weer de al dan niet aanwezige satire (operettes zonder satire zijn -volgens enkele muziekkenners - van geen betekenis.) Anderen oordelen op basis van inhoudelijk en/of muzikaal hoog en laag niveau en sommigen zoeken de oplossing in de wel of niet aanwezige, gesproken dialogen.
Ik krijg de indruk, dat niet zelden de tijd, waarin een muziekdramatisch werk is ontstaan, bij een latere ordening, dus achteraf, bepalend was. Bizet's (voor de hoofdrollen) rampzalig eindigende opera 'Carmen' is blijvend veroordeeld tot het hokje van de Opéra COMIQUE. Millöcker's 'Bettelstudent' slaat temidden van 'officiële' komische opera's geen slecht figuur, maar blijft een 'operette' heten. De Johann Strauss-operettes ' Der Zigeunerbaron' en vooral 'Die Fledermaus' worden in de muzikale uitvoeringspraktijk vaak tot het opera-repertoire gerekend.
'CAROUSEL'
VAN DE WEENSE NAAR DE AMERIKAANSE OPERETTE
Het duet met de sopraan Erika Köth uit 'Carousel' van Rodgers/Hammerstein de Tweede ('Tausend Sterne' oftewel 'If I Loved You') werd mij door Schockspecialist Ludwig Stumpff toegestuurd, waarvoor ook vanaf hier duizendmaal dank! Dit duet was in de jaren zestig en in 2003 als verzoeknummer op de Duitse televisie te horen.
New York 1886:
Onthulling v/h
Vrijheidsbeeld
Het kan voor sommige lezers een verrassing zijn geweest, dat Rudolf Schock gedurende zijn lange zangersloopbaan veelvuldig klassieke liederen zong, in oratoria, missen en zelfs 'eigentijdse' opera's van Igor Strawinsky en Alban Berg optrad. Ook is het - zeker in Nederland - nog mogelijk, dat velen niet weten, dat Schock tussen 1936 en 1963 vooral operazanger was. Het grote aantal opera-cd's met Rudolf Schock, dat vandaag de dag te bestellen is, levert hiervoor een betrouwbaar bewijs.
Desondanks bestempelt menigeen de zanger telkens weer als een zanger van operettes. Dit komt niet in de laatste plaats door de vele operette-programma's, waaraan Schock op tv en in de concertzaal in de jaren zestig en zeventig heeft meegewerkt. Bovendien zong hij ook heel wat operette in de platenstudio's en de opnamen daarvan zijn al decennia bijna onafgebroken verkrijgbaar. Bijna, want onder die opnamen zijn nog een aantal surprises. Het blijkt daardoor bijvoorbeeld mogelijk uit Schock-opnamen een opmerkelijke dubbel-CD samen te stellen, waarop hij muziek uit Amerikaanse operettes en (film-)musicals zingt. Daarmee treedt hij - mogelijk voor velen onverwacht - in de sporen van artiesten als Gordon Mac Rae, Howard Keel, Nelson Eddy, Robert Merrill, Bing Crosby en Maurice Chevalier.
De eerste drie waren baritons en musical-grootheden, Robert Merrill (ook bariton) was hoofdzakelijk operazanger en de laatste twee noem ik eenvoudigweg 'chansonniers'. Nelson Eddy zong ook opera en Robert Merrill ook musical.
De door mij al vaker geciteerde Nederlandse opera-deskundige Leo Riemens schreef begin jaren zeventig, dat de befaamde Deense helden- en Wagnertenor Lauritz Melchior (Melchior debuteerde in 1913 overigens als bariton!) in zijn nadagen musical-melodieën voor de grammofoonplaat opnam. Melchiors mix van buitenlands accent en persoonlijke zangstijl kwam Riemens weer in de herinnering, toen hij Rudolf Schock in het musical-repertoire beluisterde.
Gordon Mac Rae
en Shirley Jones
in
'OKLAHOMA'
(Rodgers)
Bij nader inzien is Schocks uitstapje naar de Amerikaanse musical eigenlijk niet vreemd. In de loop van de muziekgeschiedenis ontwikkelt zich de operette uit de opera en de musical uit de operette. En weer geldt, dat het vaak onmogelijk is te definiëren wat nu wel of niet in welk hokje past. De grenzen tussen de genres zijn vaag en de grijze overgangsgebieden groot. Bovendien buitelen allerlei criteria over elkaar heen: nu eens is de structuur van grote (in de opera) of kleine (in de operette) ensembles bepalend, dan weer de al dan niet aanwezige satire (operettes zonder satire zijn -volgens enkele muziekkenners - van geen betekenis.) Anderen oordelen op basis van inhoudelijk en/of muzikaal hoog en laag niveau en sommigen zoeken de oplossing in de wel of niet aanwezige, gesproken dialogen.
Ik krijg de indruk, dat niet zelden de tijd, waarin een muziekdramatisch werk is ontstaan, bij een latere ordening, dus achteraf, bepalend was. Bizet's (voor de hoofdrollen) rampzalig eindigende opera 'Carmen' is blijvend veroordeeld tot het hokje van de Opéra COMIQUE. Millöcker's 'Bettelstudent' slaat temidden van 'officiële' komische opera's geen slecht figuur, maar blijft een 'operette' heten. De Johann Strauss-operettes ' Der Zigeunerbaron' en vooral 'Die Fledermaus' worden in de muzikale uitvoeringspraktijk vaak tot het opera-repertoire gerekend.
'CAROUSEL'
(Rodgers)
Onuitroeibaar is de opvatting, dat operettes en musicals altijd 'vrolijk' zijn: de latere operettes van Franz Lehár zijn helemaal niet vrolijk, omdat de hoofdrollen een grote liefde moeten opgeven en eenzaam achterblijven. Sommige opera's eindigen juist weer wél vrolijk. De operettes van Jacques Offenbach mogen - wat mij betreft - komische (en satirische) opera's heten en een 'Grosse Sünderin' (operette van Künneke) zou van mij op het grote opera-toneel best verder mogen zondigen. De operettes 'Ím weissen Rössl' (Benatzky) en 'Maske in Blau' (Raymond) zijn eigenlijk 'musical comedies' en veel van het werk van Stolz, Kreuder e.a. komt in de buurt van wat je (film-)musicals zou kunnen noemen. Het lot van Verdi's Aida en haar minnaar Radames wordt er in de musical echt niet vrolijker op en hetzelfde geldt voor het verhaal van de musical over 'Miss Saigon', in wie we (uitsluitend wat de plot betreft) moeiteloos Puccini's 'Madame Butterfly' herkennen. Bernstein's beroemde musical 'West Side Story' is een moderne versie van Shakespeare's toneelstuk 'Romeo en Julia' en u weet hoe vreselijk het met die jonge mensen afloopt.
Kortom: Rudolf Schock gaat door het zingen van Amerikaanse operettes en musicals zijn boekje niet te buiten. En als we het dan toch over Schock's boekje hebben, hoop ik door het schrijven van dit feuilleton voortdurend aan te tonen, dat zijn veelzijdigheid eerder om een dik boek, dan om 'een boekje' vraagt. Realiseert u zich, dat Carl Zeller en zijn 'Vogelhändler' nog lang op zich zullen laten wachten?
VAN DE WEENSE NAAR DE AMERIKAANSE OPERETTE
Het begint allemaal met de jonge, Ierse cellist Victor Herbert (1859 - 1924), die van Dublin naar Wenen gaat, aldaar een Oostenrijkse zangeres trouwt en tenslotte met haar, zijn cello en plannen voor het schrijven van 'Weense' operettes naar New York emigreert. In 1897 oogst 'Serenade' veel waardering, gevolgd door o.a. 'Naughty Marietta' en 'The Red Mill', die natuurlijk in Nederland staat.
Vanuit Wenen komt de in Zuid-Hongarije geboren pianist en violist Sigmund Romberg (1887 - 1951), die tot de kring rond Franz Lehár behoorde en van Richard Heuberger muziektheorie-lessen kreeg. Aanvankelijk bewerkt hij een aantal Weense operettes voor de Amerikaanse markt: Walter Kollo's 'Wie einst im Mai' wordt omgewerkt tot 'Maytime'(1917) en Schubert-Bertés 'Dreimäderlhaus' tot 'Blossom Time'(1921). Maar dan verschijnt in 1924 'The Student Prince', een eigen operette-bewerking van het studentenstuk 'Alt-Heidelberg' van Meyer-Förster, waaruit een dynamisch drinklied later tot een wereldsucces van de tenor Mario Lanza zou worden. In 1926 wordt de twee jaar durende zegetocht van de studentenprins weer overstemd door een nieuwe succes-operette van Romberg: 'The Desert Song'. 'Het lied van de woestijn' is gesitueerd in het Marokkaanse Rifgebergte en op muziek gezet naar een libretto van Oscar Hammerstein de Tweede (1895 - 1960).
Oscar Hammerstein de Eerste (1848 - 1919, geboren in Stettin en grootvader van Hammerstein de Tweede) schrijft de teksten voor een andere beroemde operette, die in 1924 in premiere gaat en gecomponeerd is door een derde grootheid uit de Amerikaanse operette-wereld: Rudolf Friml (1879 - 1972). Deze pianist uit Praag componeert eerst (piano-)concerten, maar werpt zich vervolgens op het schrijven van operettes naar 'hartstochtelijke boeken'. En zo ontstaat o.a. 'Rose Marie' van Friml/Hammerstein I, een verhaal over liefde en doodslag in de Canadese bergen en met songs, die tot het wereldrepertoire zijn gaan behoren ('Oh, Rose Marie, I love you' en 'Indian Love Call').
VAN OPERETTE NAAR (FILM-)MUSICAL
Woestijnzand in Marokko, romantiek in Canada, studentenlief- en leed in het Europese Heidelberg maken dan plaats voor de Amerikaanse werkelijkheid en het rijke muziekidioom van de jazz vergroot de uitdrukkingsmogelijkheden van nieuwe componisten als Jerome Kern (1885 - 1945), Irving Berlin (1888 - 1989) en George Gershwin (1898 - 1937).
Om het Amerikaanse muziekdrama literair op een hoger plan te brengen, melden zich jonge, veelbelovende schrijvers. Naast de meer pretentieloze 'musical comedies', die in de Europese muziektradities wortelen, bloeien in de nieuwe wereld 'musical plays' op, realististische drama's zonder sentimentaliteit. Bernhard Grun stelt in zijn enthousiast geschreven 'Cultuurgeschiedenis van de Operette', dat zich uit de 'musical plays' "de definitieve vorm van de operette" ontwikkelt.
Israel Baline, geboren in Siberië, vlucht op 4-jarige leeftijd, samen met zijn ouders en zeven broertjes en zusjes net op tijd voor de Kozakken, die de jodenwijk, waarin zij leven, in brand steken en de bewoners vermoorden. Hun vluchtbestemming is New York, alwaar Israel Baline, die nu Irving Berlin heet, in 1921 zijn eerste wereldhit componeert: 'Alexander's Ragtime Band'. Andere enorme successen volgen: de songs 'God Bless America', 'Remember', 'Always' en 'Easterparade', de muzikale show 'This is the Army' en hét schoolvoorbeeld van de musical comedy 'Annie get your Gun' met de superhit 'There's no business like show business!' (1147 voorstellingen en suite en dat alleen al op Broadway). In 1942 zingt Bing Crosby in de film 'Holiday Inn' Berlin's 'I'm dreaming of a White Christmas'.
Het is 1927, als Jerome Kern de beslissende stap zet naar 'the musical play'. Hij maakt de muziek voor 'Showboat', gebaseerd op een gelijknamige roman van Edna Ferber. Oscar Hammerstein de Tweede (1895 - 1960) schrijft de teksten. 'Showboat' gaat over gewone mensen op een varend theater. De rivier, waarop de boot vaart, is de Mississippi, die zowel in de premiere op Broadway als in de premiere in Londen door de negerzanger Paul Robeson bezongen wordt ('Ol'man river').
De autodidact George Gershwin boekt in 1919 zijn eerste (platen)succes met 'Swanee' (gezongen door Al Jolson, over wie straks meer). Ruim twee miljoen platen van Gershwin's (én Jolson's) 'Swanee' gaan over de toonbank. Gershwin's topjaar wordt 1924, als hij zijn 'Rhapsody in Blue' presenteert. Daarna maken o.a. de shows 'Funny Face', 'Strike up the Band' en een satire over de regering in Washington: 'Of Thee I Sing' hem over de gehele wereld beroemd. In 1928 bedenkt hij tijdens een treinreis zijn 'symfonisch gedicht' 'An American in Paris', dat aandoet als een 'Lost in Translation' van de 20e eeuw. 'Lost in Translation' is de Oscar-film uit 2003 met Bill Murray en Scarlett Johansson, waarin een Amerikaan (Murray) voor (commerciële) doeleinden eenzaam en vol heimwee in een chaotisch Tokio verblijft. Voor de 'American' van Gershwin is Parijs al ver genoeg, maar net zo chaotisch. Ook hij voelt zich eenzaam, heeft soms plezier, maar vooral heimwee en door zijn hoofd spookt voortdurend die weemoedige melodie, die we ook kennen uit Gershwin's allerberoemdste 'musical play/opera' 'Porgy and Bess' (1935): 'There's a Boat dat's Leavin' Soon for New York'.
In het jaar 1928 gaat ook de film 'The singing Fool' in premiere met de zogenaamde 'negerzanger' Al Jolson als 'de zingende dwaas'.
Al Jolson (1886 - 1950) is op dat moment een heel grote ster door zijn filmrol van een jaar eerder in 'The Jazz Singer'. Deze film (met muziek van Irving Berlin) gaat als allereerste geluidsfilm de geschiedenis in.
In 'The singing Fool' wordt Jolson verlaten door zijn vrouw, die hun 3-jarig zoontje ('Sonny Boy') meeneemt. De achterblijvende zanger zingt een smartelijke foxtrot, die - hoe sentimenteel ook - de toeschouwer overweldigt. De muziek van dit hartverscheurende 'Sonny Boy' is geschreven door Lew Brown en Ray Henderson en de woorden zijn van Buddy G. DeSylva. Al Jolson staat er echter op, dat aan de namen van dit drietal de naam Jolson wordt toegevoegd. Ik vermoed, dat Paul Abraham Al Jolson voor ogen moet hebben gehad, toen hij in zijn operette 'Die Blume von Hawaii' (1931) 'de (echte) negerzanger Jim Boy' met de song 'Bin nur ein Jonny' ten tonele voerde.
HET ENE SUCCES NA HET ANDERE!
De zegetocht van de musical wordt vervolgd:
De componist Richard Rodgers (1902 - 1979) werkt eerst samen met textdichter Lorenz Hart (o.a. 'Pal Joey' 1941 en het lied 'With a song in my heart'). Hart wordt ziek en overlijdt. Rodgers zoekt contact met de tekstdichter van 'Showboat' Oscar Hammerstein de Tweede. Het ene succes volgt nu na het andere: in 1943 verschijnt de 'musical-play' 'Oklahoma' met o.a. 'People will say, we're in love', in 1945 'Carousel' met o.a. 'You'll never walk alone', in 1949 'South Pacific', in 1951 'The King and I ', in 1957 'Flower Drum Song' en in 1959 'The Sound of Music'.
Het componisten- en tekstschrijfduo Robert Wright (1914 - 2005) en George Forrest (1915 - 1999 ) hebben veel succes met 'Song of Norway'(1944), waarvoor zij overigens de muziek van Edvard Grieg 'lenen'.
Cole Porter (1891 - 1964) maakt zijn eigen muziek én zijn eigen teksten: in 1932 schrijft hij voor Fred Astaire de musical 'The Gay Divorce' (met het sfeervolle 'Night and Day'), in 1934 'Anything Goes', in 1939 'Dubarry was a Lady', in 1946 'Around the World' en in 1948 zijn meesterwerk naar Shakespeare 'Kiss me, Kate'. 'Can-can', 'Silk Stockings' en de filmmusical 'High Society' zouden nog volgen. In 'High Society'(1957) spelen Bing Crosby, Grace Kelly en de jazz-trompettist Louis Armstrong. Het aardige duetje 'True Love' van Crosby en Kelly wordt een evergreen.
Componist Frederick Loewe (1901 - 1988) vormt met tekstschrijver Alan Jay Lerner (1918 - 1986) ook een belangwekkend duo, dat in 1947 succes heeft met de Schotse sprookjes-musical 'Brigadoon'. Loewe wordt in Berlijn geboren en treedt al op 13-jarige leeftijd als pianist op samen met de Berliner Philharmoniker, Muzieklessen krijgt hij van Busoni, Von Reznicek en d'Albert. In 1924 emigreert hij naar de VS. Aanvankelijk vinden Amerikaanse muziekproducenten hem 'te Weens'. Tot hij Alan Jay Lerner ontmoet en met deze gaat samenwerken. 'Brigadoon' wordt uitgeroepen tot het 'Beste Musical-Drama van 1947'. In 1951 volgt eerst 'Paint your Wagon' en dan - in 1956 - de musical, die als een bom op Broadway inslaat: 'My Fair Lady', naar Bernard Shaws 'Pygmalion'. In resp. 1958 en 1960 gaan tenslotte nog 'Gigi' (als film-musical) en 'Camelot' in premiere. Daarna componeert Frederick Loewe niets meer. Met de naar de film uit 1958 gemaakte musical 'Gigi' (1974) wil hij zich niet meer bemoeien. Lerners pogingen hem daartoe over te halen mislukken.
Het succesverhaal van de musical duurt tot aan de dag van vandaag. Steeds weer worden er werken geschreven, die zich als wereldsucces ontpoppen: 'Oliver' van Lionel Bart, 'Cabaret' van John Kander, 'Cats' enz. van Andrew Lloyd Webber enz., enz. Maar wacht: laat ik 'West Side Story' uit 1957 niet vergeten!
Dirigent, pianist én componist LEONARD BERNSTEIN (1918-1990) valt in1943 halsoverkop in voor Bruno Walter als dirigent van de New York Philharmonic. Zijn succes is enorm. Publiek en pers jubelen. Bernstein is op slag een ster en concerten met Bernstein in het vervolg altijd een feest! Hij accepteert geen verschil tussen 'serieuze' en 'lichte' muziek. Goede of slechte muziek: that's the question. In 1944 componeert Bernstein balletmuziek voor choreograaf Jerome Robbins en dirigeert deze zelf. In het zelfde jaar verschijnt zijn eerste musical 'On the Town'. Balletmuziek blijft een centrale plaats innemen in zijn muzikale activiteiten. In 1956 gaat de 'musical play' Candide in premiere. Ook treedt hij op als concertpianist en vanaf de pianokruk leidt hij het orkest. Op de televisie geeft hij concerten voor 'jonge mensen'. De uitleg daarbij verzorgt hij zelf. In 1957 gaat 'West Side Story' in premiere. De choreografie van de grootse balletten in deze musical wordt door Jerome Robbins uitgeschreven en ingestudeerd. Het libretto is van Arthur Laurents en de songteksten van Stephen Sondheim (wordt door de zoon van Oscar Hammerstein de Tweede met Bernstein in contact gebracht. Later zou Sondheim met de musical 'Sweenie Todd" (1979) en het lied 'Send in the Clowns' ook als componist bekend worden). In 1989 dirigeert Leonard Bernstein in Berlijn ter gelegenheid van de val van de Muur de 'Negende' van Beethoven. Hij verandert het Schiller-opschrift 'Ode an die Freude' in 'Ode an die Freiheit'.
De 'musical play' 'WEST SIDE STORY' verplaatst de handeling van Shakespeare's 'Romeo en Julia' naar het New York van 1957. De twee families, die elkaar naar het leven staan, vormt de librettist om tot twee gangs: de 'Jets' (blanke Amerikanen) en de 'Sharks' (Puertoricanen). Tony is Amerikaans en Maria Puertoricaans. De handeling loopt parallel aan die van Shakespeare. Bijvoorbeeld de beroemde balkonscene uit 'Romeo en Julia' is in 'West Side Story' een scene op en onder een brandtrap.
RUDOLF SCHOCK ZINGT LEONARD BERNSTEIN E.A.
Zoals ik in het begin van deze bijdrage al schreef, is er rond Rudolf Schock een dubbel-CD samen te stellen, die tegelijk als auditieve illustratie kan dienen voor de ontwikkelingsgeschiedenis van 'The American Musical-Drama':
OPERETTEN & (FILM-)MUSICALS
von
von
Romberg, Friml, Berlin, Kern, Porter
Brown/Henderson, Wright/Forrest
Rodgers, Loewe und Bernstein
EXTRA:
Leonard Bernstein dirigiert Gershwin
Omdat alleskunner Leonard Bernstein in deze Schock-compilatie alleen als componist vertegenwoordigd is, leek het mij passend hem als George Gershwin-dirigent (én als pianist in 'Rhapsody in Blue') extra toe te voegen. Gershwin's muziek spat haast letterlijk uit de groeven. Het is één en al vuurwerk en ik vraag me af, waarom ik die oude 25 CM-LP niet eerder op CD heb gezet.
Meerdere keren is de kosmopolitische sopraan Anna Moffo (1933 - 2007) te horen, die in de vroege lente van 1971 met de intussen van een hartaanval herstelde Rudolf Schock een LP met Duitstalige operette en een LP (Eurodisc 85 110 TE) met muziek uit Amerikaanse operettes en musicals opneemt. Eén van Schock's vaste dirigenten Werner Eisbrenner (1908 - 1981) dirigeert de Berliner Symphoniker in de Moffo/Schock-duetten.
Het duet met de sopraan Erika Köth uit 'Carousel' van Rodgers/Hammerstein de Tweede ('Tausend Sterne' oftewel 'If I Loved You') werd mij door Schockspecialist Ludwig Stumpff toegestuurd, waarvoor ook vanaf hier duizendmaal dank! Dit duet was in de jaren zestig en in 2003 als verzoeknummer op de Duitse televisie te horen.
De oudste opnamen uit 'Rose Marie' en van 'Heimweh' zijn op CD verkrijgbaar (Membran-Documents Order Nr. 224062).
De nieuwere opnamen + 'Sonny Boy' stonden op LP's met de nummers Eurodisc 88 957 OE ('Rose Marie') en Eurodisc 88 955 OE ('Heimweh' en 'Sonny Boy').
De nieuwere opnamen + 'Sonny Boy' stonden op LP's met de nummers Eurodisc 88 957 OE ('Rose Marie') en Eurodisc 88 955 OE ('Heimweh' en 'Sonny Boy').
Een aardige wetenswaardigheid is de herkomst van het lied 'Ich erinnere mich gern'. Het is één van de laatste grammofoonplaat-opnamen van Rudolf Schock en wordt gezongen als een soort autobiografische inleiding op een grote TV-show, waarin de terugblikkende zanger zélf centraal staat (ZDF 1983). De show heeft dan ook als titel: 'Ich erinnere mich gern'. De melodie van dit lied is gecomponeerd door Frederick Loewe en komt uit zijn film-musical 'Gigi' uit 1958. In die musical spelen en zingen de jonge fimactrice Leslie Caron en de befaamde, oudere acteur en charmeur Maurice Chevalier (zie foto). Het is Chevalier, die het lied 'I remember it well' (in duet met een bejaarde dame) zingt (of beter: 'op noten spreekt'). In 1983 wordt Lerner's tekst herschreven en op Schock's zangersloopbaan toegespitst. Nog in 1983 verschijnt vervolgens een LP met opnamen uit de show, waaronder Schock's 'Ich erinnere mich gern' (Ariola 205 636 - 366). Het is verleidelijk aan te nemen, dat het idee om van het Chevalier-lied een Schock-lied te maken op minstens twee feiten berust: 1) Op blz. 6 van de kleine Schock-biografie, die Friedrich Herzfeld in 1962 publiceert (zie mijn tekst 'Rudolf Schock in allerlei literatuur') schrijft Herzfeld, dat Rudolf Schock met trots over zijn ouderlijk huis spreekt en dat hij in dat opzicht "lijkt op Maurice Chevalier, met wie hij nóg wel enkele karaktertrekken gemeen heeft" en 2) Op blz. 340 van Schock's grote biografie (1985) citeert Schock een zin uit een kritiek van de New York Times naar aanleiding van een concertante uitvoering van 'Die Lustige Witwe' in de Carnegie Hall. De krant schrijft: "Rudolf Schock heeft als Danilo de charme van een Maurice Chevalier". Schock voegt hier echter aan toe, dat hij zich vereerd voelt, maar dat hij zichzelf nooit zo gezien heeft. Het kan dus heel goed zijn, dat hier sprake is van een toevallige samenloop van omstandigheden en dat ik er helemaal naast zit.
DE OPNAMEN VAN AMERIKAANSE SUCCESSEN
stammen uit verschillende perioden van Schock's loopbaan. De 'Serenade' (Romberg) van eind 1978 onder Fried Walter (1909 - 1996) klinkt vocaal natuurlijk niet zo betoverend mooi als de beide 'Rose-Marie'-songs uit 1950. Maar die opname uit 1978 heeft momenten, waarop Schock je toch raakt. Dat gebeurt ook in 'Maria!' uit 'West Side Story' (1971). Met alle gevoel voor drama, dat hij rijk is, werpt hij zich in Tony's lied en schept daarmee de grote emotie van waaruit zich het daarop volgende brandtrap-duet ontwikkelt (zie hierboven). Anna Moffo's stem kleurt warm en donker. Het is een extra attractie, dat Moffo en Schock de Amerikaanse operette- en musicalscenes in het Engels zingen. Schock toont zich in de duetten uiterst geconcentreerd en de baritonale klank van zijn stem leent zich ideaal voor het genre. Bovendien krijgt een simpele melodie als 'True Love' met zulke stemmen een bedwelmende facelift.
Behalve 'Maria' zingt Schock alle soli in het Duits, waarbij ik er wel aan herinner, dat Schock in 1949 behalve van Irving Berlin's 'Heimweh' ook de oorspronkelijk Amerikaanse versie 'Always' opnam. Die opname werd in 2012 op CD voor het eerst uitgebracht. Maar ook in het Duits vind ik 'Heimweh' een indrukwekkend lied en zeker op de doorleefde, niet-sentimentele manier, waarop Schock het zingt. In 1966 is zijn voordracht zelfs nog doordachter geworden. Hij hanteert in zulke liederen (chansons enz.) een voor zichzelf sprekend sentiment, waarmee hij ook in de 'bijna-smartlap' 'Sonny Boy' de luisteraar overtuigt. Hij barst niet uit à la Jolson, maar laat in alle eenvoud horen, dat de tenor Rudolf Schock voor zo'n lied een minstens zo gedreven vertolker is.
Krijn de Lege, 2008/2014
(In december hoop ik o.a. 'Rudolf Schock op CD' te actualiseren en in 2009 vervolg ik de componistenreeks met Berté/SCHUBERT.)
13.10.08
RUDOLF SCHOCK SINGT ALBAN BERG (Deutsch)
Mit anderen Worten: Rudolf Schock singt 'kontemporäre Musik', 'zeitgenössische' Musik. Anno 2008 sind diese Adjektive natürlich längst überholt. Denn wir reden von Musik aus dem 20. oder vorigen Jahrhundert: 'klassische' Musik, die damals komponiert wurde. Aber das Wort 'klassisch' ist ein Containerbegriff. Es kann u.a. Musik 'mit Dauerwert' bedeuten, oder Musik 'in der Art der Klassik', oder 'ernste' Musik, und namentlich das Wort 'ernst' stimmt auch wieder nicht, weil eine Menge 'klassische' Musik gerade fröhlich und heiter ist. Ich schlage also vor, dass wir alle Wortprobleme, Definitionen und Klassifizierungen ruhenlassen. Nehmen wir als Ausgangspunkt, was die deutsche Qualitätswochenzeitung 'Die Zeit ' 2005 online über Rudolf Schock schreibt: " Egal nämlich, was er singt: Schock entwickelt das Material nicht ins Exzentrische, sondern rückt alles Fremde und Bizarre so leicht zurecht, als sei es ganz selbstverständlich. Er präsentiert es dabei jeweils mit einer Staunen machenden Unvoreingenommenheit. Es ist, als eigne er sich die Rolle oder das Lied prima vista perfekt an - eine Art von Naturwunder, wenn man so will". Wir hören also ganz einfach zu, und das 'Naturwunder' singt. In diesem Falle in der Oper 'LULU' von Alban Berg.
Über Schocks Verhältnis zur 'zeitgenössischen Musik' schreibt Gerald Köhler in 'Rudolf Schock & Die Roelens'(Theaterwissenschaftliche Sammlung der universität zu Köln, 2005): "Musikalische Moderne blieb Rudolf Schock - im Gegensatz zu Fritz Wunderlich - fremd, obwohl er gewichtige Partien in ... (Köhler nennt drei moderne Opern) sang".
Ich zweifle daran, ob Köhler recht hat, wenn ich mir die beachtlich längere Liste ansehe, worin ich Schocks Auftritte in (mehr oder weniger) neuer Musik des 20. Jhts aufgezählt habe. Er ging mit der 'musikalischen Moderne' genauso wie mit Verdi, Mozart, Beethoven, Schubert, Lehár, Strauss (J. und R.), Wolf usw. um, und zwar in der Weise, wie 'Die Zeit' so treffend formuliert: er näherte sich jeder Art der Musik ganz offen und mit unbefangener Natürlichkeit an.
In einem Fernsehgespräch (1973) hält er sich allerdings ein Hintertürchen offen: er habe nichts gegen moderne Opern, aber sei wohl der Meinung, man solle nicht alles singen wollen. Er sei ziemlich 'wählerisch' mit moderner Musik umgegangen. Glaubhaft ist denn auch, dass seine wählerische Art besonders das experimentelle Werk betraf.
Rolf Liebermann 1954 |
In seiner Biographie lässt Schock Rolf Ulrici die folgende Anekdote notieren: Im Jahre 1954 singt er in Salzburg in der Weltpremiere von Rolf Liebermanns neuer Oper 'Penelope'. Auf die Frage des Komponisten während einer Probe, ob die Oper ihm gefalle, erwidert Schock, das Duett, das er singen dürfe, sei schön, und die Musik eigne sich sehr für die Stimme. Er fügt aber einen kleinen, etwas ungeschickten Scherz hinzu: "Allerdings mit einigen Akkorden Puccini würde es noch viel schöner klingen". Liebermann schwieg und sah Schock "gross an". Schock gerät ins Philosophieren darüber: Er ist sich darüber im klaren, zu weit gegangen zu sein, aber findet zugleich, die Musikkritik messe mit zweierlei Mass. Über Musik, die ein breites Publikum anspricht, dürfe man offensichtlich allerhand hässliche Dinge sagen, aber die Musik, die sich vom traditionellen Genre distanziert, solle man völlig in Ruhe lassen. Viele Werke, die nach der Premiere über alle Massen gelobt wurden, "fristen ihre Existenz in Archiven und leben in akademischen Schriften weiter". Aufgeführt werden solche Werke meistens nie mehr.
Etwas weiter in der Biographie betont Schock, dies gelte nicht für Alban Bergs 'Lulu'. Trotz seiner Vorbehalte gegen diese Art von Musik, stellt er bei sichselbst fest, dass er sich in dieser Oper "ganz in seinem Element fühlte", und es war ihm "seltsamerweise, als hörte (er) ab und zu Mozart durchklingen".
Meine längere, möglicherweise nicht einmal vollständige Liste mit 'Rudolf Schock in der Welt der mehr oder weniger experimentellen Modernen Musik' ist ebenso überraschend wie die Reihe seiner Auftritte in Oratorien (siehe meinen Juni 2008-Beitrag über die 'Missa Solemnis'):
- Schock sang von Ferruccio Busoni die Rolle des Cavaliere Leandro in der Oper 'Arlecchino'(aus dem Jahre 1917). Diese kurze Oper wurde 1946 im gleichen Programm mit Puccinis 'Il Tabarro' (1913) ausgeführt. Schock war in der Puccini-Oper wahrscheinlich als Luigi zu hören. Er sang 1944 diese Rolle auch schon, aber aus mir unbekannten Gründen wurde Luigi damals Henri genannt. Busoni gehört zur 'frühen Modernität', zusammen mit Schönberg UND Richard Strauss.
- von Richard Strauss: den 'Sänger' in 'Der Rosenkavalier' (1905), Narraboth in 'Salomé' (1911), Bacchus in 'Ariadne auf Naxos' (1916), Flamand in 'Capriccio' (1942) und eine Reihe von Liedern. Davon sind 'Capriccio' und (mannigfach) 'Ariadne auf Naxos' auf CD (Emi, DGG, Walhall) erhältlich.
- von Erich Wolfgang Korngold: aus 'Die tote Stadt' (1920) Duett und Finale, sowohl im Aufnahmestudio (Emi) als auch live,
- von Carl Orff: 'Catulli Carmina' (1942).
- Auch auf der 'leichten' Seite des musikalischen Spektrums wurde neue Musik komponiert, die von Rudolf Schock gesungen wurde: Operetten von Juri Miljutin und Johannes Müller (einige Fragmente auf CDs vom Membran-Label). Weiter Filmmusik vom russischen Komponisten Isaak Dunajewski (1900-1955), der in der Stalinzeit eine Blitzkarriere machte. Er komponierte u.a. die Musik für den Film 'Wesna' (= Frühling), dessen deutsche Fassung 1947 in Berlin Premiere hatte. Der Dirigent Werner Eisbrenner nahm für diese Filmfassung mit u.a. Rudolf Schock einige von Reinhard W. Noack übersetzte Lieder auf. Während der Internationalen Filmfestspiele Berlin 2005 wurde der Film 'Wesna' von Regisseur Grigori Alexandrow noch einmal vorgeführt.
- vom späteren Kirchenmusik-Komponisten Ernst Pepping: 'Haus- und Trostbuch für Singstimme und Klavier' (1946). In diesem Sammelband stehen 42 Gedichte auf Texten von Brentano, Goethe, Bergengruen, Eichendorff, F.G. Jünger, Claudius, Herder, Nietzsche, Dante u.a. Die Uraufführung (eine Teilaufführung) ist in Berlin am 27. Februar 1949. Rudolf Schock und die Altistin Johanna Blatter singen. Adolf Stauch (wer könnte es anders sein!) begleitet. Seit September 2009 gibt es 2 Lieder aus diesem Live-Konzert auf CD (4-CD-Box 'Kammersänger Rudolf Schock' - Gala und 10-CD-Box 'Rudolf Schock, Nachklang einer geliebten Stimme' - Membran/Documents). Schock singt diese beiden Lieder auf Texte von Eichendorff und Goethe. Pepping betrachtet dieses 'Haus- und Trostbuch' als " ...das grösste und gewichtigste meiner Liederwerke...". Nach Hugo Wolf sei - nach Aussage Peppings - nie mehr so eine umfangreiche und gewichtige Liedersammlung verfasst worden. Über Rudolf Schock schreibt Ernst Pepping in einem Brief vom 26. März 1948: "....ich bin jetzt soweit, die, wir mir scheint, zweckentsprechendsten Interpreten aufgefunden (...) zu haben. Es sind (vorläufig im Vertrauen mitgeteilt) Schock (Tenor der Staatsoper), in dessen Stimme ich verliebt bin (hoffentlich findet er auch die Zeit für das Studium, er ist ein 'Star', aber noch nicht gänzlich verdorben, ausserdem ein netter Kerl) und Pia Coursavé.....". Offensichtlich fand Pia Coursavé die Zeit für das Studium nicht. Johanna Blatter nahm ihren Platz ein.
- von Arthus Bliss: 'The Olympians' (1949). In der ersten Reihe von Vorstellungen sang Schock 1949 an der Covent Garden Oper in London (danach auch in Birmingham) die Rolle des Hektors. Die BBC-Aufnahme scheint zu existieren, aber bis auf heute ist sie nicht auf Schallplatte oder CD veröffentlicht worden.
- von Igor Strawinsky: 'The Rake's Progress' (1951). In dieser 'Karriere eines Wüstlings' sang Rudolf Schock die Titelrolle (Tom Rakewell) von Oktober 1951 an in Hamburg, Wien und Berlin. Leider scheint es von keiner der Ausführungen eine Aufnahme zu geben.
R. Schock (oben)in 'The Rake'sProgress'
- von Hans Ebert: 'Fünf Chinesische Lieder'(um 1950 herum?). Die Texte sind sehr wahrscheinlich von Hans Bethge, der orientalische Poesie ins Deutsche nachdichtete. Auch Richard Strauss und Franz Lehár ('Von Apfelblüten einen Kranz'!) benutzten Bethges Nachdichtungen. Die fünf Chinesischen Lieder sind 2005 vom RELIEF-Label zum allerersten Mal auf CD veröffentlicht worden. Schock wird am Klavier von Herbert Heinemann begleitet. Die Aufnahmen sind Mai 1951 gemacht worden, ein Jahr vor Eberts Tod.
- von Rolf Liebermann: 'Penelope'(1954). Rudolf Schock sang in Salzburg die Rolle des Ercole in der Weltpremiere vom Jahre 1954. Diese Premiere wurde vom Orfeo-Label auf CD festgehalten.
- und von ALBAN BERG: 'LULU' (1935).
Berg (l) und Schönberg (r)
Der Komponist Alban Berg wird als wichtigster Vertreter der sogenannten 'Zwölftonmusik' betrachtet. Die Grundlage für diese neuartige Musik wird um 1925 herum von Arnold Schönberg (1874 - 1951) geschaffen. Berg ist sein prominentester Schüler. Interessant ist es, zu wissen, dass Schönberg die künstlerische Laufbahn als Arrangeur von Schlagern und Operetten anfing und nach seiner Zwölftonperiode wieder zur traditionelleren Komponierweise zurückkehrte. Die Zwölfton-Technik geht von einer Komponiermethode mit Hilfe von '12 nur aufeinander bezogenen Tönen' aus. Das 'normale' Komponieren geht von 7 Tönen aus, die zusammen eine Tonleiter bilden. Der erste und zentrale Ton dieser Leiter heisst der Grundton. Alle anderen Töne sind auf diesen Grundton bezogen, bewegen sich also gleichsam auf ihn zu. Die Folge ist, dass der Zuhörer die Erfahrung hat, dass ein Musikstück 'stimmt'. Bei der 12-Tonmethode gibt es keine zentrale (Grund)tonalität, und ist also keine Bewegung zum Grundton möglich, und die Folge ist, dass für manchen Zuhörer die Musik 'nicht stimmt', nicht harmonisch und nicht zugänglich ist.
Alban Berg geht in seinen beiden Opern ziemlich frei mit Schönbergs 12 Tönen um. Z. B. biegt er sie zu thematischen Formen für bestimmte Instrumente um, die sich an den verschiedenen Theaterpersonen festsetzen, wodurch doch Formen zentraler Tonalität entstehen. Sie erinnern an 'Leitmotive', musikalisch-hamonische (!) 'Bewegungen', die vor allem Richard Wagner anwendete, um Personen oder Ereignisse aus seinen Opern zu charakterisieren. In 'Lulu' gehört z. B. das Klavier dem Zirkusartisten und das Saxophon der Alwa-Rolle, die Schock singt, an. Und es gibt mehr, wodurch diese Oper trotz der neuen Tonsprache dem Zuhörer relativ vertraut ins Ohr geht.
Was die Themen seiner Opern betrifft, ist Berg auch nicht so geradlinig. Schönberg kann sich schwierig damit einverstanden erklären, dass sein Schüler (und späterer Freund) in 'Lulu' das 'erhabene Phänomen Oper' einer 'Halb-Welt' von Schmarotzern, Prostituierten und mangelhaften Künstlern widmet. Über Bergs erste Oper 'Wozzeck', worin die Tragik der weiterschreitenden Auflösung einer Unterklasse in bezug zur Gesellschaft dargestellt wird, äussert sich Schönberg positiver: "Das ist eine Szene aus dem Alltagsleben. Eigentlich unvereinbar mit 'dem Phänomen Oper', aber welch ein Wagestück!".
Frank
Wedekind (1918)
DIE OPER 'LULU' gründet auf einem Schauspiel von FRANK WEDEKIND (1864 - 1918), in dessen Kindertragödie 'Frühlings Erwachen' ich mich recht gut auskenne (1999 durfte ich dieses Schaupiel einige Male mit Schülern und Lehrern ausführen). Über 'Frühlings Erwachen' habe ich oft sagen hören, dass die sexuelle Freiheit, die von Wedekind als selbstverständlich vorgestellt sein sollte, in unserer modernen Zeit nicht mehr erschüttern könnte. Das wage ich zu bezweifeln: Auf jeden Fall lösten in dieser Hinsicht Wedekinds Auffassungen im Jahre 1999 bei Schülern und beim Publikum noch allerhand aus. Aber Wedekind hat mehr zu melden: Egoismus ist - nach Wedekinds Meinung - der Pfeiler, auf der die Gesellschaft stützt. Egoismus ist die Triebfeder des Menschen, auch wenn er gut tut. "Keiner wird eine Wohltat vollführen, wenn er sie innerlich nicht geniessen kann". Er setzt voraus, dass es zwei Menschentypen gibt, ein jeder mit eigenen Idealen. Auf der einen Seite gibt es die 'sozial Beseelten', Rufer in der Wüste ("die meisten sind Dichter/Schriftsteller"). Sie projizieren ihre Ideale als göttliche Wahrheiten unmittelbar in den Himmel. Mit der irdischen Wirklichkeit haben sie nicht soviel Kontakt. Auf der anderen Seite stehen die 'praktischen Menschen'. Sie gehen von den vorhandenen Lebensumständen aus und versuchen darin für sichselbst eine gewisse Vollkommenheit zu konstruieren. Wedekind modelliert in 'Lulu' die Figuren nach 'dem Benehmen der Menschen und Tiere im Zirkus. Ihr Leben ist eine Zirkusnummer, die sie gut oder schlecht vollbringen". Wedekinds 'Lulu' erscheint in zwei Teilen: im Jahre 1895 veröffentlicht er 'Erdgeist', 1902 'Die Büchse der Pandora'.
Die HANDLUNG
von Wedekinds Schauspiel und von Bergs Oper unterscheiden sich im 1. und 2. Akt kaum. Nur im 3. Akt der Oper hat Alban Berg, der selber das Libretto für 'Lulu' verfasst, einige vielsagende Kunstgriffe angewendet, oder besser gesagt: anwenden WOLLEN. Berg stirbt nämlich 1935 während der Arbeit am 3. Akt, aber er lässt genug Material zurück, um eine solche Schlussfolgerung zu ziehen.
Chefredakteur/Zeitungsverleger Dr. Schön rettet Lulu aus der Gosse. Er nimmt sie bei sich auf, gibt Kleidung, Essen und er erzieht sie (in seiner uneigennützigen Güte?). Lulu vertraut sich Schön ganz an. Dieses 'positive Trauma' wird zur Identität der Lulu. Schön kann sich aber keine Heirat mit Lulu leisten. Er hat zuviel zu verlieren in der Gesellschaft, wo er ein mächtiger Mann ist. Er beabsichtigt sogar, ein adliges Mädchen zu heiraten. Körperlicher und geistiger Genuss dürfen die steile Karriere nicht im Wege stehen. Lulu bekommt noch mehr Geschenke von ihm: zwei Gatten nacheinander! Der erste, ein Arzt, hat zur sexuellen Beziehung gar nicht den Mut. Der zweite, ein Maler, wagt es nicht, sie zu berühren. Bühnenautor Alwa Schön, Sohn des Chefredakteurs, zweifelt dauernd zwischen der Liebe und der Kunst. Endlich gelingt es Lulu doch, mit ihrer grossen Liebe, Dr. Schön zu heiraten. Lulus Priorität ist die totale Liebe, geistig und körperlich, aber Schöns Priorität ist die der Effektenbörse. Lulu gibt sich jetzt einem jeden. Schön ertappt sie auf frischer Tat, und er ist dermassen durchgedreht, dass er fordert, dass Lulu Selbstmord verübt. Aber mit der Waffe, die sie von Schön in die Hand gedrückt bekommt, erschiesst Lulu ihren Wohltäter. Sie will nur überleben und 'tut, was sie tun muss'. In einem Intermezzo wird ein Film (!) vorgeführt, in dem die Zuschauer Lulus Verhaftung, die Verurteilung und ihren Aufenthalt im Gefängnis erleben. In der 2. Szene des zweiten Aktes planen Alwa, Lulus Vater und ihre Verehrer, unter denen die Gräfin Geschwitz, Lulu zu befreien. Der Plan gelingt dadurch, dass die Gräfin nach einem Kleidungsaustausch Lulus Platz im Gefängnis einnimmt. Der 2. Akt der Oper endet mit dem grossen Duett Lulu-Alwa. Alwa erklärt ihr seine Liebe. Er willigt in eine Abreise mit Lulu ein.
In zweitem Teil von Wedekinds 'Lulu', der mit dem 3. Akt von Bergs Oper zusammenfällt, lebt Lulu mit Alwa in Paris und London in Begleitung ihrer Freundin: der Gräfin Geschwitz, ihres opportunistischen Vaters. Lulu gibt sich nach wie vor den Männern, die sie umkreisen. Unter ihnen sind 'ein Professor' und 'ein Neger', die (und hier weicht Alban Berg von Frank Wedekind ab) von denselben Sängern gespielt werden, die im 1. Akt bezw. 'der Arzt' und 'der Maler' waren. Aber etwas hat sich wesentlich geändert. In den ersten beiden Akten nutzt Lulu die Männer aus. Im 3. Akt nutzen die Männer Lulu aus. Alwa wird von einem ermordet. Lulu ist total verarmt. Es bleibt ihr nichts andres übrig, als neue Männer zu finden, um Geld aufzutreiben. An Selbstmord kann sie nicht denken. Wohl an ihren Wunschtraum in die Hände eines Lustmörders zu fallen. Und dieser Traum wird Wirlichkeit: ihr letzter Kunde ist Jack the Ripper... (es ist Bergs Absicht, Jacks Rolle vom selben Sänger spielen zu lassen, der Dr. Schön spielt). So scheint Berg noch einmal einen Gedanken hinter Wedekinds Lulu-Tragödie unterstreichen zu wollen: das Einwechselbare von Menschen, die entweder zu den 'sozial Beseelten' (Alwa, die Gräfin), oder zu den 'praktischen' Leuten gehören (Lulu selber, ihr Vater, Dr. Schön/Jack the Ripper). Lulu soll nicht zum Klischee einer 'Femme fatale' reduziert werden. Die gefühlskalte Logik des 'schönen, wilden, wahren Tieres' (Wedekind) ist viel eher mit jener des Kindermörders in Fritz Langs berühmtem Film 'M - eine Stadt sucht einen Mörder' verwandt. Die Entschuldigung, die der Mörder (von Peter Lorre unvergesslich dargestellt) fassungslos stammelt, wenn er nahe daran ist, gelyncht zu werden, spricht Bände: "Aber...ich kann doch nichts dafür".
Über Bergs MUSIKALISCHE DARSTELLUNG noch einige Bemerkungen: Den Eindruck hat es immer gegeben, Alban Bergs Sympathie liege bei der Figur von Alwa. Der Gedanke taucht sogar auf, er habe sichselbst in Alwa porträtiert. Berg widmet besonders ihm 'alle reine Musik', eine Mischung aus drastischer Expression und Wehmut. Für die ganze Oper gilt, dass sie einen ironischen, dreizehnten Ton bietet, der zugleich relativierende Wirkung hat: Hier und da scheinen Brecht und Weill über Bergs Schulter mitzugucken. Klangfarben erinnern an ihre 'Dreigroschenoper'(1928). Der Prolog-mit-Tierbändiger-im-Zirkus tut das auch, aber noch deutlicher verweist er zum populären Prolog von Leoncavallos realistischer Oper 'Bajazzo'. Aus alten, italienischen Opern rühren Hinweise wie 'Duettino', 'Arietta' und 'Canzonetta' her, die mit 12-Tonmusik nichts zu tun haben, aber prima zur Öffnungszeile von Alwas Rezitativ aus dem 1. Akt passen: "Über die (Lulu) liesse sich freilich eine interessante Oper schreiben!" Und dann und wann lebt sogar Operetten-Atmosphäre auf!
ÜBER DEN DRITTEN AKT, DER DOCH NOCH VOLLENDET WURDE:
Friedrich Cerha rekonstruierte den 3. Akt.
Alban Berg arbeitet von 1928 bis zu seinem Tode im Jahre 1935 an 'Lulu'. Der 3. Akt ist eigentlich fertig, aber von den 1326 Takten sind nur 390 instrumentiert worden. Im Nachlass befindet sich ausreichendes Material, um eine Rekonstruktion zu ermöglichen. Bergs Witwe Helene hofft darauf, dass Schönberg oder andere Zwölfton-Komponisten 'Lulu' vollenden werden, aber keiner von ihnen macht das. Am 2. Juni 1937 ist die Premiere von 'Lulu' in Zürich, d.h. man führt den 1. und 2. Akt aus und fügt noch etwas symphonisches Werk von Berg hinzu. Auch nach dem Krieg werden von 'Lulu' mit einer gewissen Regelmässigkeit 'amputierte Ausführungen' (Pierre Boulez) produziert. Im Laufe der sechziger Jahre wächst 'Lulu' allmählich zur am meisten aufgeführten Opern-Komposition des 20. Jhts aus. Erst am 9. Juni 1962 findet im Rahmen der 'Wiener Festwochen' im Theater an der Wien die allererste Wiener 'Lulu'-Ausführung statt. Diese Ausführung ist erfolgreich, aber noch immer handelt es sich um den 1. und 2. Akt.
Im selben Jahr beginnt FRIEDRICH CERHA (1926 - ) mit der Rekonstruktion des 3. Aktes. Er arbeitet bis 1978 daran. Am 24. Februar 1979 findet in Paris endlich die Premiere des vollständigen Werkes statt. Anderthalb Jahre später habe ich das Vergnügen, in Rotterdam die ganze Oper zu sehen und zu hören. Teresa Stratas singt die Titelrolle und der niederländische Dirigent Hans Vonk dirigiert.
'Lulu' am 9. Juni 1962 zum ersten Mal in Wien! Diese Ausführung seit Juni 2013 zum ersten Mal auf DVD!
Die DVD dieser historischen Ausführung erschien Juni 2013 (auf Arthaus Musik, Nr. 101687)!
Daß es Video-Aufnahmen gab, war bekannt: in den Siebzigern moderierte Marcel Prawy, bekannter und beliebter Wiener Opernkenner, im Fernsehen ein Opernprogramm, in dem er Fragmente aus dieser wichtigen Wiener Premiere vorführte. Daneben zirkulierte in beschränktem Kreise noch eine CD-Kassette, worauf - wie auf dem Cover erläutert wird - tatsächlich der Premierenabend festgelegt sei. Die Fernsehfragmente fallen jedoch nicht ganz mit den Aufnahmen der CD-Kassette zusammen. Ein extra Seufzer von Rudolf Schock macht das sofort deutlich.
Karl Böhm dirigiert 'Lulu' 1962
1962: Live-Wien am 9. Juni mit Evelyn Lear (Lulu), Rudolf Schock (Alwa), Paul Schöffler (Dr. Schön), Gisela Litz (Gräfin Geschwitz), Kurt Equiluz (Maler), Alois Pernerstorfer (Tierbändiger) und weiter Hilde Konetzki, Hans Braun, Ludwig Welter, Peter Klein u.a. DIR: KARL BÖHM. Bühnenregie: Otto Schenk.
Rudolf Schock erzählt in seiner Autobiographie einiges über die Vorstellung: Er lobt Otto Schenks "meisterhaft originellen" Regie ("ein wahres Kabinettstück"). Die grosse Liebesszene geht "haarscharf bis an die Grenze des Schicklichen" (wir sprechen über die frühen Sechziger. Zehn Jahre später sollte eine 'Lulu'- Aufführung als 'Sexkrimi' affichiert werden!). Evelyn Lear und Rudolf Schock müssen das grosse, schwere ("gefährliche") Duett "in lasziven Posen' auf einem Kanapee singen. Die öffentliche Generalprobe sorgt für eine animierte Mundpropaganda, so dass die (Zwölfton-)Vorstellung jeden Abend ausverkauft ist.
R. Schock
und
E. Lear
Ich hörte mir die Ausführung, wie sie auf genannter, rarer CD zu mir kam, mit wachsender Begeisterung an. Die Musik (z. B. die 'Verwandlungsmusik' aus dem 1. Akt nach der 2. Szene) sucht und findet das Herz. Die Handlung ist heftig und ein wahrer Funkenregen. Evelyn Lear (1926-2012), die grosse R. Strauss-Sopranistin aus den USA, wurde oft für die Rolle der Lulu gecastet. Ebenso in dieser Wiener Premiere. Ihre Stimme ist reine Schönheit. Wenn sie sich der komplexen Frauenfigur Lulu seriös annähert, lässt Evelyn Lear keine Wünsche unerfüllt. Beginnt sie aber zu parodieren, dann führt das zur Übertreibung. Wenn plötzlich eine operettenhafte Atmosphäre entstehen soll, bedeutet das nicht, dass eine schlechte Operettenausführung imitiert werden muss, Eine schmollende Soubrette ist ein zu fades Operettenklischee. Das passt nicht zur Lulu-Rolle und - meiner Intuition nach - nicht zu Alban Bergs Intentionen. In dieser Hinsicht ist Rudolf Schock ihr überlegen: er beschwört in bestimmten Augenblicken auf einmal einen angenehmen, natürlichen Charme herauf, der sofort danach am unnatürlichen Grauen der Lage scheitert. Anders gesagt: Schock sorgt dafür, dass während einiger Sekunden betäubender Operettenduft in der 12-Tonluft hängt, der jedoch einen Moment später von einer ernüchternden Bemerkung oder einem musikalischen Ausbruch weggefegt wird. Zum Beispiel im 2. Akt kurz vor dem Schluss der Alwa/Lulu-Szene (CD 2, Track 5) klingt plötzlich in effektivem Schock-Falsett: "Mignon (veraltet für 'Liebling'), ich liebe dich", worauf Lulu mit frostiger Sprechstimme reagiert: "Ich habe deine Mutter vergiftet".
Paul Schöffler (1897-1977) ist grossartig als Dr. Schön. Einer, der so gut den Hans Sachs in Wagners 'Meistersinger' singen kann, muss für die Rolle von Lulus Idol wohl geboren sein.
Paul Schöffler |
Kurt Equiluz (1929), der Opern sang, aber namentlich als Bach-Spezialist berühmt wurde, singt einen emotionellen Maler. Peter Klein (1907 - 1992). ein Wiener Charakterbuffo, der mit spielender Leichtigkeit vom Traditionellen zum Experimentellen und umgekehrt pendelte, stellt einen perfekt-verwirrten Prinzen dar, und weiter hört man u.a. Hilde Konetzki (1905 - 1980) als Garderobenfrau, Gisela Litz (1922) als Gräfin Geschwitz, Ludwig Welter (1917 - 1965) als Theaterdirektor und Alois Pernerstorfer (1912 - 1978) als Tierbändiger. Der weltberühmte Karl Böhm (1994 - 1981) dirigiert die Vorstellung, und vielleicht war er wohl die Ursache davon, dass Schock dann und wann Mozart zu hören glaubte.
Rudolf Schock hörte 1962 allerdings nicht nur Mozart. Bei den Proben für 'Lulu' begegnete er einem jungen Repetitor, der "uns Solisten das Studium der Zwölftonpartitur erleichterte". Sein Name war IVAN ERÖD. Schock suchte gerade einen Begleiter für seine Liederabende: sein fester Pianist seit Jahrzehnten Adolf Stauch war auf kleineren Gang geschaltet, und der Nachfolger Robert Wallenborn hatte eine Berufung nach den USA erhalten. Schock war von Eröds Musikalität beeindruckt. Er bat Ivan Eröd, seinen neuen Begleiter zu werden. Eröd sagte zu, und ihr erstes gemeinsames Konzert fand in Koblenz statt. Diese Zusammenarbeit sollte viele Jahre dauern.
Krijn de Lege, 15.10.2008/15.6.2013/22.5.2018
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