20.11.08

RUDOLF SCHOCK SINGT LEONARD BERNSTEIN U.A.

RUDOLF SCHOCK SINGT MELODIEN AUS AMERIKANISCHEN OPERETTEN UND (FILM-)MUSICALS






New York 1886:
Enthüllung der
Freiheitsstatue






Es könnte für einige Leser eine Überraschung gewesen sein, dass Rudolf Schock während seiner langen Sängerlaufbahn oft klassische Lieder sang, in Oratorien und Messen oder sogar in 'zeitgenössischen' Opern von zum Beispiel Igor Strawinsky und Alban Berg auftrat. Selbst könnte es denkbar sein - gewiss in den Niederlanden - , dass viele nicht wissen, dass Schock zwischen 1936 und 1963 vor allem Opernsänger war. Die zahlreichen Opern-CDs mit Rudolf Schock, die man heutzutage bestellen kann, liefern hierfür einen zuverlässigen Beweis.

Dessenungeachtet bezeichnet mancher den Sänger immer wieder als einen Sänger von Operetten. Das kommt nicht an letzter Stelle durch die vielen Operettenprogramme, woran Schock im Fernsehen und Konzertsaal mitgearbeitet hat. Ausserdem sang er auch eine ganze Menge Operette in den Plattenstudios, und deren Aufnahmen sind schon Dezennien beinahe ununterbrochen erhältlich. Beinahe, denn er nahm in diesem Bereich Unerwartetes auf. Es gibt dadurch beispielsweise die Möglichkeit, aus Schock-Aufnahmen eine bemerkenswerte Doppel-CD zusammenzustellen, worauf er Musik aus amerikanischen Operetten und (Film-)Musicals singt. Damit tritt er in die Spuren von Künstlern wie Gordon Mac Rae, Howard Keel, Nelson Eddy, Robert Merrill, Bing Crosby und Maurice Chevalier. Die ersten Drei waren Baritons und Musical-Koryphäen, Robert Merrill (auch Bariton) war hauptsächlich Opernsänger und die beiden Letzten nenne ich schlechthin 'Chansonniers'. Nelson Eddy sang auch Oper und Robert Merrill auch Musical. Der von mir schon öfters zitierte, niederländische Opernkenner Leo Riemens schrieb anfangs der 70er Jahre, dass der namhafte dänische Helden- und Wagnertenor Lauritz Melchior (dieser debütierte 1913 übrigens als Bariton!) in der Spätphase seiner Karriere Musicalmelodien für die Schallplatte eingesungen hätte. Melchiors Mix von ausländischem Akzent und persönlichem Gesangsstil kam Riemens wieder in die Erinnerung, als er sich Rudolf Schock im Musical-Repertoire anhörte.

Gordon Mac Rae und Shirley Jones in 'Oklahoma' (Rodgers)

Bei näherer Betrachtung ist Schocks Abstecher ins amerikanische Musical eigentlicht nicht fremd. Im Laufe der Musikgeschichte entwickelt sich die Operette aus der Oper und das Musical aus der Operette. Und wieder gilt, dass es oft unmöglich zu definieren ist,was wohl oder nicht in welche Schublade passt. Die Grenzen zwischen den Gattungen sind vage, und die grauen Übergangszonen breit. Überdies bringen allerhand Kriterien uns ganz durcheinander: bald wäre die Zahl der Beteiligten in den verschiedenen Szenen entscheidend (grosse Zahl bedeutet Oper, kleine Zahl Operette), bald die satirischen Absichten (Operetten ohne Satire wären - wie manche Opern- und Operettenkenner urteilen - überhaupt bedeutungslos). Andere entscheiden auf der (häufig subjektiven) Grundlage des inhaltlich und/oder musikalisch hohen oder niedrigen Niveaus, und manche suchen die Lösung in den wohl oder nicht anwesenden, gesprochenen Dialogen. Ich bekomme den Eindruck, dass nicht selten die Zeit, in der ein musikdramatisches Werk entstanden ist, bei einer späteren Ordnung, also hinterher, bestimmend war. Bizets (für die Hauptrollen) katastrophal ausgehende Oper 'Carmen' ist bleibend zur Schublade der Opéra COMIQUE verurteilt worden. Millöckers 'Bettelstudent' macht inmitten 'offiziell' komischer Opern keine schlechte Figur, aber wird nach wie vor als 'Operette' eingestuft. Die Johann Strauss-Operetten 'Zigeunerbaron' und besonders 'Fledermaus' werden dagegen in der musikalischen Ausführungspraxis oft zum Opernrepertoire gerechnet.


Carousel
(Rodgers)

Unausrottbar ist die Auffassung, dass Operetten und Musicals 'gute Laune' voraussetzen: die Hauptrollen in den späteren Operetten von Franz Lehár sind gar nicht gut gelaunt, weil sie ihre grosse Liebe aufgeben müssen und einsam zurückbleiben. Manche Opern aber kennen gerade wohl ein Happy-End. Die Operetten von Jacques Offenbach dürften - was mich betrifft - komische (oder satirische) Opern heissen, und eine 'Grosse Sünderin' (Operette von Künneke) hätte meine Erlaubnis, auf der grossen Opernbühne weiter sündigen zu dürfen. Die Operetten 'Im Weissen Rössl' (Benatzky) und 'Maske in Blau' (Raymond) sind eigentlich 'Musical Comedies' und vieles von Stolz, Kreuder u.a. kommt in die Nähe des (Film-)Musicals. Das Schicksal von Verdis Aida und ihrem Geliebten Radames gestaltet sich im Musical nicht milder, und dasselbe ist der Fall in der Musical-Erzählung über 'Miss Saigon', in der wir (nur was den Plot betrifft) mühelos Puccini's 'Madame Butterfly' wiedererkennen. Bernsteins berühmtes Musical ' West Side Story' ist eine moderne Version von Shakespeares Bühnenstück 'Romeo und Julia', und Sie wissen, wie traurig ihre Geschichte endet.
Kurz: Rudolf Schock hat dadurch, dass er aus amerikanischen Operetten und Musicals sang, seine künstlerischen Grenzen nicht überschritten. Und wenn wir trotzdem von Schocks 'Grenzen' reden, hoffe ich mit diesem Feuilleton deutlich zu machen, dass seiner Vielseitigkeit kaum Grenzen zu setzen sind. Gerade darum muss ich 'weiter, immer weiter' schreiben. Sehen Sie ein, wie lange Carl Zeller und sein 'Vogelhändler' noch auf sich warten lassen?


VON DER WIENER ZUR AMERIKANISCHEN OPERETTE



Alles fängt mit dem irischen Cellospieler Victor Herbert (1859 - 1924) an. Der junge Herbert reist von Dublin nach Wien, heiratet dort eine österreichische Sängerin und wandert letzten Endes mit ihr, dem Cello und dem Vorhaben, 'Wiener' Operetten zu schreiben, nach New York aus. Im Jahre 1897 erntet seine Operette 'Serenade' viel Beifall. Darauf folgen u.a. 'Naughty Marietta' und 'The Red Mill', die natürlich in den Niederlanden steht.



Aus Wien kommt der in Südungarn geborene Pianist und Violinist Sigmund Romberg (1887 - 1951) , der zum Kreise Lehárs gehörte und von Richard Heuberger Musiktheorie-Stunden bekam. Zuerst arbeitet er für den amerikanischen Markt einige Wiener Operetten um: Aus Walter Kollos 'Wie einst im Mai' wird 'Maytime' (1917) und aus Schubert-Bertés 'Dreimäderlhaus' entsteht 'Blossom Time' (1921). Aber dann gibt es 1924 'The Student Prince', die eigene Operettenbearbeitung des Studentenstücks 'Alt-Heidelberg' von Meyer-Förster, woraus ein dynamisches Trinklied später zum Welterfolg des Tenors Mario Lanza werden sollte. Es dauert nur zwei Jahre, bevor der Siegeszug des Studentenprinzen von einem neuen Romberg-Erfolg übertönt wird, und zwar vom 'Desert Song' . 'Das Lied der Wüste' spielt sich im marokkanischen Rif-Gebirge ab und wird nach einem Libretto von Oscar Hammerstein dem Zweiten (1895 - 1960) zum Klingen gebracht.

Rudolf Friml & (rechts) Sigmund Romberg
Oscar Hammerstein der Erste (1848 - 1919, in Stettin geboren und der Grossvater Hammersteins des Zweiten) schreibt die Texte für eine andere, berühmt gewordene Operette, die 1924 in Premiere geht und von einer dritten Größe aus der amerikanischen Operettenwelt in reizendeTöne gesetzt wird: Rudolf Friml (1879 - 1972). Dieser Prager Klavierspieler komponiert zuerst Klavierkonzerte, aber wirft sich dann auf das Schreiben von Operetten nach ''leidenschaftlichen Büchern''. Und so entsteht u.a. ' Rose Marie' von Friml/Hammerstein 1, eine Geschichte über Liebe, Mord und Totschlag in den kanadischen Bergen und mit Songs, die angefangen haben zum Weltrepertoire zu gehören ('Oh, Rose Marie, I love you' und 'Indian Love Call').


VON DER OPERETTE ZUM (FILM-)MUSICAL
Wüstensand in Marokko, Romantik in Kanada, Studentenfreud und -leid im europäischen Heidelberg machen jetzt der amerikanischen Wirklichkeit Platz, und das reichhaltige Musikidiom des Jazz vergrössert die Ausdrucksmöglichkeiten neuer Komponisten wie Jerome Kern (1885 - 1945), Irving Berlin (1888 - 1989) und George Gershwin (1898 - 1937).

Um das amerikanische Musikdrama literarisch auf ein höheres Niveau zu bringen, melden sich junge, vielversprechende Textbuch-Autoren. Neben den inhaltlich oberflächlicheren 'Musical Comedies', die in der europäischen Tradition wurzeln, blühen in der Neuen Welt 'Musical Plays', realistische Dramen ohne Sentimentalität auf. Bernhard Grun vertritt in seiner begeistert verfassten 'Kulturgeschichte der Operette' sogar die Meinung, dass aus den 'Musical Plays' "die Endform der Operette gestaltet" wurde.


Israel Baline, in Siberien geboren, flieht in vierjährigem Alter zusammen mit seinen Eltern und sieben kleinen Brüdern und Schwestern rechtzeitig vor den Kosaken, die im Judenviertel, worin sie leben, die Häuser in Brand stecken und die Einwohner umbringen. Die Fluchtbestimmung ist New York, wo Israel Baline, der inzwischen Irving Berlin heisst, 1921 seinen ersten Welthit komponiert: 'Alexander's Ragtime Band' Andere grosse Hits folgen: die Songs 'God Bless America', 'Remember', 'Always', 'Easterparade', die musikalische Show 'This is the Army' und das Paradebeispiel für die 'Musical Comedy' 'Annie Get Your Gun' mit dem Superhit 'There's no business like show business' (1147 Vorstellungen en suite und das allein schon am Broadway!). Im Jahre 1942 säuselt Bing Crosby im Film 'Holiday Inn' Berlin's 'I'm dreaming of a White Christmas'.

Im Jahre 1927 wagt Jerome Kern den entscheidenden Schritt zum 'Musical Play'. Er schreibt die Musik für 'Showboat', nach einem Roman mit gleichem Titel von Edna Ferber. Oscar Hammerstein der Zweite verfasst die Texte. 'Showboat' handelt von gewöhnlichen Menschen auf einem fahrenden Theaterschiff. Der Fluss, worauf das Boot fährt, ist der Mississippi, der in den Erstaufführungen am Broadway und in London vom Negersänger Paul Robeson besungen wird ('Ol'man river').







Der Autodidakt George Gershwin verbucht 1919 seinen ersten (Platten-)Erfolg mit 'Swanee' (von Al Jolson gesungen). Mehr als zwei Millionen Schallplatten von Gershwins (und Jolsons) 'Swanee' werden verkauft. Gershwins grosses Erfolgsjahr wird 1924. Dann veröffentlicht er seine 'Rhapsody in Blue'. Danach machen u.a. die Shows 'Funny Face', 'Strike up the Band' und eine Satire über die Regierung in Washington: 'Of Thee I Sing' ihn über die ganze Welt 'famous'. Im Jahre 1928 denkt er sich während einer Eisenbahnfahrt das 'symphonische Gedicht' 'An American in Paris' aus. 'An American in Paris' mutet mich als eine 'Lost in Translation' des 20. Jhts an. 'Lost in Translation' ist der schöne Oscarfilm aus dem Jahre 2003 mit Bill Murray und Scarlett Johansson, worin ein Amerikaner (Murray) sich zu kommerziellen Zwecken in Einsamkeit und von Heimweh erfüllt in Tokyo aufhält. Er erlebt die Großstadt als chaotisch. Für den 'American' von Gershwin ist Paris schon weit genug, aber genauso chaotisch. Auch er fühlt sich einsam, hat ab und zu heitere Augenblicke, aber meistens Heimweh, und in seinem Kopf geistert wiederholt jene wehmutsvolle Melodie, die wir auch aus Gershwins allerberühmtestem 'Musical Play' (oder Oper) 'Porgy and Bess' (1935) kennen: 'There's a Boat dat's Leavin' Soon for New York'.

Im selben Jahr (1928) geht auch der Film 'The Singing Fool' mit dem sogenannten 'Negersänger' Al Jolson als dem 'Singenden Narren' in Premiere.

Poster
Al Jolson


Al Jolson (1886 - 1950) ist in diesem Moment ein gefeierter Star durch seine Filmrolle in 'The Jazz Singer' (1927), der - mit Musik von Irving Berlin - als allererster Tonfilm in die Geschichte hineingeht.

In 'The Singing Fool' wird Jolson von seiner Frau verlassen, die ihren dreijährigen Sohn ('Sonny Boy') mitnimmt. Der zurückbleibende Sänger singt einen schmerzlichen Foxtrott, der - wie sentimental auch - den Zuschauer überwältigt. Die Musik dieses herzzerreissenden 'Sonny Boy' ist von Lew Brown und Ray Henderson, und die Worte sind von Buddy G. DeSylva. Al Jolson besteht darauf, dass sein Name den drei anderen hinzugefügt wird. Ich glaube, dass Paul Abraham an Al Jolson gedacht haben muss, als er seinem Publikum in der Operette 'Die Blume von Hawai' (1931) 'den (echten) Negersänger Jim Boy' mit dem Song 'Bin nur ein Jonny' vorstellte.

EIN ERFOLG NACH DEM ANDERN!
Der Siegeszug des Musicals zieht weiter:

Der Komponist Richard Rodgers (1902 - 1979) arbeitet zuerst mit dem Textdichter Lorenz Hart zusammen (u.a. 'Pal Joey' 1941 und das Lied 'With a Song in my Heart'). Lorenz Hart wird krank und stirbt. Rodgers sucht Kontakt mit 'Showboat'-Textdichter Oscar Hammerstein dem Zweiten. Ein Erfolg folgt jetzt dem andern: 1943 erscheint das 'Musical Play' 'Oklahoma' mit u.a dem Duett 'People will say, we're in love', 1945 'Carousel' mit u.a. 'You'll never walk alone', 1949 'South Pacific' und 1959 'The Sound of Music'.


Das Komponisten- und Textdichterduo Robert Wright (1914 - 2005) und George Forrest (1915 - 1999) ernten viel Erfolg mit 'Song of Norway' (1944), wofür sie sich übrigens die Musik von Edward Grieg 'leihen'.


Cole Porter (1891 - 1964) macht seine eigene Musik und die eigenen Texte. Im Jahre 1932 schreibt er für Fred Astaire das Musical 'The Gay Divorce' (mit dem stimmungsvollen 'Night and Day'), 1934 'Anything Goes' 1939 'Dubarry was a Lady', 1946 'Around the World' und 1948 sein Meisterstück nach Shakespeare: 'Kiss me, Kate'. 'Can-can', 'Silk Stockings' und das Filmmusical 'High Society (1957) mit Bing Crosby, Grace Kelly und Jazz-Trompeter Louis Armstrong sollten noch folgen. Das nette Duett 'True Love' aus 'High Society' wird zum Evergreen!


Komponist Frederick Loewe (1901 - 1988) bildet mit Textdichter Alan Jay Lerner (1918 - 1986) das x-te bedeutungsvolle Musical-Duo. Es erzielt 1947 seinen ersten Erfolg mit dem schottischen Märchenmusical 'Brigadoon'. Loewe wird in Berlin geboren und tritt schon im Alter von 13 Jahren als Pianist zusammen mit dem Berliner Philharmoniker auf. Musikstunden bekommt er von Busoni, Von Reznicek und d'Albert. Im Jahre 1924 wandert er nach Amerika aus. Anfangs halten amerikanische Musikproduzenten ihn für 'zu wienerisch', aber dann begegnet er Alan Jay Lerner und fängt ihre Zusammenarbeit an. 'Brigadoon' wird 1947 zum 'Besten Musical-Drama' ausgerufen. 1951 erscheint 'Paint your Wagon' und dann - im Jahre 1956 - das Musical, das wie eine Bombe am Broadway einschlägt: 'My Fair Lady', nach Bernard Shaws 'Pygmalion'. In den Jahren 1958 und 1960 gehen schliesslich noch 'Gigi' (als Filmmusical) und 'Camelot' in Premiere. Danach komponiert Frederick Loewe nichts mehr. Mit dem späteren, nach dem Film aus 1958 geschriebenen Musical 'Gigi' (1974) lässt er sich nicht mehr ein. Lerners Versuche, ihn dazu zu überreden, scheitern.

Die Erfolgsgeschichte des Musicals dauert bis zum heutigen Tag an. Immer wieder wurden Werke geschrieben, die sich als Welterfolge entpuppten: 'Oliver' von Lionel Hart, 'Cabaret' von John Kander, 'Cats' usw. von Andrew Lloyd Webber, um einige zu nennen. Einen Riesenwelterfolg habe ich aber noch nicht genannt. Er muss sofort in den Vordergrund gerückt werden: 'West Side Story' aus dem Jahre 1957!

Dirigent, Pianist únd Komponist LEONARD BERNSTEIN (1918 - 1990) springt 1943 bei einem Konzert Hals über Kopf als Dirigent des New York Philharmonic für Bruno Walter ein. Sein Erfolg ist immens. Publikum und Presse jubeln. Er ist über Nacht ein Star geworden. Konzerte mit Bernstein sind von diesem Augenblick an wahre Feste! Er akzeptiert keinen Unterschied zwischen U- und E-Musik. Gute oder schlechte Musik: that's the question. 1944 komponiert Bernstein Ballettmusik für den Choreografen Jerome Robbins und dirigiert sie selbst. Im selben Jahr erscheint sein erstes Musical 'On the Town'. Ballettmusik bleibt ein Schwerpunkt in seinen musikalischen Aktivitäten. 1956 findet die Erstaufführung von 'Candide' (nach Voltaire) statt. Weiter tritt er als Konzertpianist auf, wobei er zugleich vom Flügel aus das Orchester dirigiert. Im Fernsehen leitet er Konzerte für Jugendliche. Die Erläuterungen spricht er mit viel Humor selber. 'West Side Story' wird zum ersten Male im Jahre 1957 ausgeführt. Die Choreografie der grandiosen Tanz-Szenen wird von Jerome Robbins ausgeschrieben und einstudiert. Das Libretto ist von Arthur Laurents, und die Songtexte von Stephen Sondheim. Der Sohn Oscar Hammersteins des Zweiten brachte Sondheim und Bernstein (Foto!) zusammen (Später sollte Sondheim mit dem Musical 'Sweenie Todd' und dem wunderschönen Lied 'Send in the Clowns' auch als Komponist bekannt werden). 1989 dirigiert Leonard Bernstein in Berlin aus Anlass des Mauerfalls die 'Neunte' von Beethoven. Er ändert die Schiller-Überschrift 'Ode an die Freude' in 'Ode an die Freiheit'.

'The Musical Play' 'WEST SIDE STORY' verlegt die Handlung von Shakespeares 'Romeo und Julia' nach New York im Jahre 1957. Die beiden Familien, die einander nach dem Leben trachten, werden vom Librettisten in zwei Gangs umgebildet: die 'Jets'(weisse Amerikaner) und die 'Sharks' (Puertoricaner). Tony ist amerikanisch und Maria puertoricanisch. Die Handlung verläuft parallel mit der von Shakespeare. Zum Beispiel die berühmte Balkon-Szene aus 'Romeo und Julia' ist in 'West Side Story' zur Szene auf und unter einer Feuertreppe geworden.

RUDOLF SCHOCK SINGT LEONARD BERNSTEIN U.A.

Wie ich am Anfang dieses Aufsatzes schon schrieb, könnte man um Rudolf Schock eine Doppel-CD mit Musik aus amerikanischen Operetten und Musicals zusammenstellen. Zugleich könnte diese CD als auditive Illustration für die Entwicklungsgeschichte des amerikanischen 'Musical-Dramas' dienen:

RUDOLF SCHOCK




SINGT
AUS AMERIKANISCHEN
OPERETTEN & (FILM-)MUSICALS
Romberg, Friml, Berlin, Kern, Porter
Brown/Henderson, Wright/Forrest
Rodgers, Loewe, Bernstein
EXTRA:
LEONARD BERNSTEIN DIRIGIERT GERSHWIN

mit den folgenden Tracks:

Weil Alleskönner Leonard Bernstein in dieser Schock-Kompilation nur als Komponist vertreten ist, schien es mir angemessen, ihn auch als George Gershwin-Dirigenten (únd Pianisten in 'Rhapsody in Blue'!) aufzunehmen. Gershwins Musik spritzt fast buchstäblich aus den Rillen. Es ist ein komplettes Feuerwerk, und ich frage mich, warum ich jene alte 25 Cm-LP erst jetzt auf CD gebannt habe.


Mehrere Male ist die kosmopolitische Sopranistin Anna Moffo (1933 - 2007) zu hören, die im Frühling des Jahres 1971 mit Rudolf Schock, der sich kurz davor von einer Herzattacke erholt hat, eine LP mit deutschsprachiger Operette und eine LP (Eurodisc 85 110 TE) mit Musik aus amerikanischen Operetten und Musicals aufnimmt. Einer von Schocks festen Dirigenten Werner Eisbrenner (1908 - 1981) dirigiert den Berliner Symphoniker in diesen Moffo/Schock-Duetten.


Das Duett mit der Sopranistin Erika Köth aus 'Carousel' von Rodgers/Hammerstein dem Zweiten ('Tausend Sterne' auf Englisch: 'If I Loved You') wurde mir vom Schockspezialisten Herrn Ludwig Stumpff zugeschickt, wofür auch hier tausendmal Dank! Dieses Duett war in den Sechzigern und als musikalischer Wunsch im Jahre 2003 im Fernsehen zu hören.

Die ältesten Aufnahmen aus 'Rose Marie' und von 'Heimweh' sind auf CD erhältlich (Membran-Documents).
Die neueren'Aufnahmen + 'Sonny Boy' standen auf LPs mit den Nummern Eurodisc 88 957 OE ('Rose Marie') und Eurodisc 88 955 OE ('Heimweh' und 'Sonny Boy').

Die Herkunft des Liedes 'Ich erinnere mich gern' ist wissenswert. Es ist eine der letzten Schallplatten-Aufnahmen von Rudolf Schock und wird als eine Art von autobiographischer Einleitung für eine grosse Fernseh-Show (ZDF 1983) gesungen, worin der zurückblickende Sänger selber im Mittelpunkt steht. Die Show trägt denn auch den Titel: 'Ich erinnere mich gern'. Die Melodie dieses Liedes wurde von Frederick Loewe komponiert und in seinem Filmmusical 'Gigi' aus dem Jahre 1958 gesungen. In diesem Musical spielten und sangen die junge Filmschauspielerin Leslie Caron und der weitbekannte, ältere Schauspieler und Charmeur Maurice Chevalier (siehe Foto). Es ist Chevalier, der das Lied 'I remember it well' (in Duett mit einer bejahrten Dame) singt (oder besser: 'spricht'). 1983 wird Lerners Text umgeschrieben und auf Schocks Sängerkarriere konzentriert. Noch im Jahre 1983 erscheint eine LP mit Aufnahmen aus der Show, worunter Schocks 'Ich erinnere mich gern'(Ariola 205 636 - 366). Es ist verlockend, anzunehmen, dass die Idee, aus dem Chevalier-Song ein Schock-Lied zu machen, auf mindestens zwei Tatsachen beruht: 1) Auf Seite 6 der kleinen Schock-Biographie, die Friedrich Herzfeld 1962 publiziert (siehe 'Rudolf Schock in allerhand Literatur') schreibt Herzfeld, dass Rudolf Schock mit Stolz über sein elterliches Haus spricht und darin "Maurice Chevalier gleicht, dem er übrigens auch in manchem anderen Wesenszug ähnelt" und 2) Auf Seite 340 von Schocks grosser Biographie (1985) zitiert Schock einen Satz aus einer Kritik der New York Times anlässlich einer konzertanten Ausführung der 'Lustigen Witwe' in der Carnegie Hall. Die Zeitung schreibt: "Rudolf Schock hat als Danilo den Charme Maurice Chevaliers". Schock fügt aber sofort hinzu: "Der Vergleich freute und ehrte mich, allerdings hatte ich mich selber nie so gesehen". Es wäre also sehr wohl möglich, dass man hier von einem Zusammentreffen verschiedener Umstände sprechen könnte, und dass ich völlig danebenhaue!



DIE AUFNAHMEN AUS AMERKANISCHEN 'MUSICAL-DRAMAS'

stammen aus verschiedenen Perioden von Schocks Laufbahn. Die 'Serenade' (Romberg), die Ende 1978 unter Fried Walter (1907 - 1996) aufgenommen wurde, klingt selbstverständlich vokal nicht mehr so bezaubernd schön wie die beiden 'Rose Marie'-Songs aus dem Jahre 1950, aber sie hat Augenblicke, worin Schock doch das Herz berührt. Das geschieht auch in 'Maria!' aus 'West Side Story' (1971). Mit allem Gefühl für Drama, woran er so reich ist, wirft sich Schock in Tonys Lied und schafft damit die tiefgefühlte Emotion, woraus sich das darauf folgende Feuertreppenduett entwickelt. Anna Moffo's Stimme färbt warm und angenehm dunkel. Es ist eine extra Attraktion, dass Moffo und Schock die Operetten- und Musicalszenen in englischer Sprache darstellen. Schock singt äusserst konzentriert und die baritonale Stimmfarbe eignet sich ideal für diese Musikgattung. Eine an und für sich anspruchslose Melodie wie 'True Love' erfährt durch solche erfahrenen Stimmen ein betäubendes Facelifting.

(PM: Ich erinnere daran, dass Schock 1949 von Irving Berlins 'Heimweh' auch die ursprüngliche amarikanische Version 'Always' aufnahm. Im Jahre 2012 kam sie auf CD heraus. Auch in deutscher Sprache halte ich aber 'Heimweh' für ein eindrucksvolles Lied, und gewiss auf die einfühlsame und doch nicht sentimentale Weise, wie Schock es singt. 1966 ist seine Darstellung noch durchdachter. Er führt in solchen Liedern (Chansons u.d.) ein natürliches und ehrliches Sentiment, womit er auch in einer 'Halbschnulze' wie 'Sonny Boy' den Hörer überzeugt. Er schluchzt nicht á la Jolson auf, aber lässt in aller Einfachheit hören, dass der Tenor Rudolf Schock für so ein Lied ein mindestens ebenso beseelter Darsteller ist).

Krijn de Lege, 2008/2014

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

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