07.12.14

RUDOLF SCHOCK singt 'STILLE NACHT, HEILIGE NACHT'


Rudolf Schock singt 'Stille Nacht, Heilige Nacht':



Zunächst einige Gedankensplitter über die besondere Wirkung dieses Liedes auf mich und - wie ich annehmen darf - Millionen andre Leute.
Seit Kindergedenken erfahre ich die Wirkung wie eine warme Decke in einer dunklen und meistens kalten Zeit. Auf der Stelle: Ergriffenheit beim Vorspiel und den Worten, die darauf folgen.

Im Jahre 1818, im Herzen der Romantik aufgeschrieben. Heutzutage, im Jahre 2013, im Herzen der Kreditkrise von den niederländischen Bischöfen, zusammen mit noch vielen anderen traditionellen Liedern, abgeschrieben worden. Als würde es sich um Hochrisikohypotheken handeln.
Die weisen Männer streichen u.a. das zwei Jahrhunderte alte, bekannteste Weihnachtslied der Welt aus dem "exklusiven Verzeichnis mit Vorzugsliedern", weil es "die Verehrung Gottes nicht in den Mittelpunkt rückt". Die Folge ist - ich zitiere den Herausgeber der kirchlichen Liederbücher - "daß es nicht mehr aufgenommen werden darf, was in der Praxis bedeutet, daß es gemieden wird". Kurz nach dieser Mitteiling, deren ich mich als Nicht-Katholiker stellvertretend schäme, beeilte sich die niederländische Kirchenprovinz, zu erklären, "die Gerüchte stimmten nicht mit den Tatsachen überein.... Es dürfte bestimmt gesungen werden". Das stimmt wieder: man darf es entweder singen oder meiden. Die Frage bleibt jedoch offen, von wem man in seiner/ihrer Pfarrgemeinde abhängig ist.
Möglicherweise wäre für den bischöflichen Beschluß der Grund, die klassische niederländische Version bliebe inhaltlich ziemlich bei den weniger altmodisch und direkteren Versionen der deutschsprachigen Länder und Großbritanniens
zurück. Aber wäre es dann nicht konstruktiver gewesen, wenn die Bischöfe eine neue, niederländische Übersetzung verlangt hätten?

"Es war/waren einmal..."
Vorzugsweise wird uns die Entstehungsgeschichte von 'Stille Nacht, Heilige Nacht' wie ein Märchen der Brüder Grimm berichtet.
Und dann noch in verschiedenen Versionen. Wahrheit und Dichtung sind durcheinder geflochten. Sicher scheint mir aber, allerhand in bezug auf das Lied sei unsicher.
Was nun folgt ist nur in Annäherung ein Versuch zu einer Zusammenfassung (bedeutende Quelle für mich: www.stillenacht.at).

Joseph Mohr

Josef Mohr (Rekonstruktion)

















wird 1792 in Salzburg geboren und wächst als Kind einer unverheirateten Frau in äußerst ärmlichen Umständen auf. Der Vater (Franz Moor) war ein Soldat, der die Armee und die Freundin vorzeitig verließ.
Die Kirche nimmt Joseph in ihre Obhut, bietet ihm die Gelegenheit, Unterricht zu bekommen, wonach er 1815 Priester wird. Im Jahre 1816 schreibt er ein Gedicht unter dem Titel 'Stille Nacht, Heilige Nacht'. Zwischen 1817 und 1819 arbeitet er in der Pfarrkirche von Oberndorf. Da begegnet er Franz Gruber, der
vertretungsweise als Organist tätig ist.

In Oberndorf geschieht denn das, was nicht genau herauszufinden ist. Nicht unwahrscheinlich ist, daß folgendes passierte:
An einem Tag im Jahre 1818 läßt Mohr Gruber das Gedicht 'Stille Nacht' lesen. Dieser verspricht Mohr, den Text zu Hause in Arnsdorf auf Noten zu setzen.

Das Schulgebäude in Arnsdorf, wo Franz
GruberJoseph Mohrs 'Stille Nacht' auf Noten setzte.














Gesagt, getan. Mohr ist mit der - laut Gruber - "einfachen Komposition" einverstanden. Zusammen führen sie noch 1818 das "Tiroler Volkslied" in der Oberndorfer Kirche zum ersten Mal aus. Es ist für zwei Stimmen, Chor und Gitarre geschrieben worden (daß die Orgel defekt gewesen wäre, ist nur eine Geschichte). Joseph Mohr singt den Tenorpart und Franz Gruber den Baß. Wahrscheinlich ist, daß Gruber auch das Kirchenchor leitete.

Von Joseph Mohr ist bekannt, daß er in den Pfarrgemeinden, wo er arbeitete, von den Gemeindemitgliedern sehr geschätzt wurde. Aber auch, daß die kirchlichen Vorgestetzten am tatsächlichen Funktionieren häufig Kritik übten. Er sollte vielen Sachen ihren Lauf gelassen und enge Kontakte mit weiblichen Gemeindegliedern aufgenommen haben.
Mohr hatte eine schwache Gesundheit. Im Jahre 1848 stirbt er nach langem Krankenlager.

Franz Gruber

Franz Gruber

















wird 1787 in Hochburg-Ach geboren, einem Flecken in Oberösterreich in
nächster Nähe der deutschen Grenze.
Grubers Leben verläuft im allgemeinen konventioneller als das des Priesters Mohr.
Nach einigen Jahren in einer Weberei wird der 20-jährige Musikliebhaber Schulmeister, und wie so oft wurde er dazu vom eigen Schulmeister angeregt.
Neben der bedeutenden Position als Schulmeister arbeitete Gruber im Wohnort Arnsdorf tüchtig als Kirchenorganist, Chordirigent und Komponist. Außerdem sprang er vielfach im größerem Oberndorf als Organist ein. Seine Ambition richtete sich auf eine endgültige Übersiedlung nach Oberndorf, aber eine feste Anstellung als Schulmeister/Organist wurde ihm nicht gegönnt. Das wirkte frustrierend auf ihn ein.
Gruber arbeitete in den Jahren 1817 und 1818 mit Joseph Mohr zusammen, und diese Begegnung brachte der Menschheit das innige 'Stille Nacht' ein.
Franz Gruber starb im Jahre 1863.


PR für 'Stille Nacht, Heilige Nacht'















Text und Melodie
Ursprünglich zählte Joseph Mohrs Gedicht und danach auch das Weihnachtslied elf Strophen. Im Laufe der nächsten 200 Jahre erfuhren Text und Melodie allerlei Änderungen, und wurde das Lied in zahllose Sprachen übersetzt. Diese Übersetzungen bearbeitete man wieder, so daß in den einzelnen Ländern auch noch allerhand Versionen zirkulieren.
Von den anfangs 11 Strophen wurden und werden gewöhnlich 2, 3 oder 4 ausgeführt.
Hierunter die beliebtesten Varianten in deutscher und englischer Sprache:

Deutsch

Stille Nacht, heilige Nacht!
Alles schläft, einsam wacht
Nur das traute hochheilige Paar
Holder Knabe im lockigen Haar
Schlaf in himmlischer Ruh
Schlaf in himmlischer Ruh


Stille Nacht, heilige Nacht
Hirten erst kundgemacht
Durch der Engel Halleluja
Tönt es laut von fern und nah:
Christ, der Retter ist da!
Christ, der Retter ist da!


Stille Nacht, Heilige Nacht
Gottes Sohn, oh, wie lacht
Lieb' aus deinem göttlichen Mund
Da uns schlägt die rettende Stund
Christ, in Deiner Geburt
Christ, in Deiner Geburt





















Englisch
Silent night, holy night
All is calm all is bright
'Round yon virgin Mother and Child
Holy infant so tender and mild
Sleep in heavenly peace
Sleep in heavenly peace

Silent night, holy night,
Shepherds quake at the sight.
Glories stream from heaven afar,
Heav'nly hosts sing Alleluia;
Christ the Savior is born
Christ the Savior is born

Silent night, holy night,
Son of God, love's pure light.
Radiant beams from Thy holy face,
With the dawn of redeeming grace,
Jesus, Lord, at Thy birth
Jesus, Lord, at Thy birth
Rudolf Schock singt Weihnachtslieder
für die Schallplatte am 11. März 1964.
'Stille Nacht' ist das letzte von neun traditionellen Weihnachtsliedern auf der LP 'Weihnachten mit Rudolf Schock' (Eurodisc LP 71 501 IK). Werner Eisbrenner arrangierte die Lieder musikalisch und stattete sie mit einer kontinuierlichen, musikalischen Umrahmung aus.
Die 1. Plattenseite eröffnet und endet mit dem Läuten der Kirchenglocken aus Berlin (Grunewaldkirche), Minden und Joseph Mohrs Geburtsort Salzburg UND Rudolf Schocks Sprechstimme, der den Zuhörern ein "fröhliches Weihnachtsfest" wünscht.

Eurodisc LP 71 501 IK

Die 2. Plattenseite bietet teilweise unerwartete Kompositionen, u.a. das Pastorale aus Händels 'Messias' unter Rudolf Kempe, drei Weihnachtslieder von Peter Cornelius und das Lied 'Maria sitzt am Rosenhag' von Max Reger.
Dirigent der Berliner Symphoniker ist Günther Arndt. Weiter dirigiert Arndt diesmal nicht den Chor, der seinen Namen trägt, sondern den RIAS Kammer- und Kinderchor. Rudolf Schock wird von Ivan Eröd in den Cornelius-Liedern auf dem Klavier und in der Bach-Adaptation 'O Jesulein süß, o Jesulein mild' auf dem Cembalo unterstützt.

(Im Jahre 1970 sollte Rudolf Schock unter dem Dirigenten Werner Eisbrenner wiederum neun Weihnachtslieder aufnehmen, aber die tauchen vereinzelt nur hier und da in einer Eurodisc LP-Kompilation auf (u.a. zwei in der 2LP-Box 'Süßer die Glocken nie klingen' - 85 941 XDU). Von diesen neun Liedern fehlen mir noch immer sieben)

Die LP 'Weihnachten mit Rudolf Schock' unterging 1987 die Metamorphose zu CD, was bedeutet, daß Schocks Weihnachtskonzert nächstes Jahr - genau ein halbes Jahrhundert nach der Aufnahme im Jahre 1964 - ununterbrochen im Handel ist!

Sony-CD, Nr. 258 455



















Es gibt die CD auch in der 6CD-Box 'Nostalgische Weihnacht', zusammen mit Weihnachts-CDs von Peter Alexander, Julia Migenes, René Kollo, Erika Köth und Hermann Prey.
(Kommentar auf die Sony- und frühere BMG/Eurodisc-CD:
Im Cover-Text der CD werden zweimal die Glocken der LP angekündigt. Sie fehlen aber. Ebenso die verbindenden, musikalischen Übergänge und Rudolf Schocks Weihnachtswunsch. Rudolf Schock starb 1986, ein Jahr vor der CD-Veröffentlichung.
Ich stelle mir vor, BMG/Eurodisc entfernte den Wunsch aus Gründen der Pietät).

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Rudolf Schock singt 'Stille Nacht, Heilige Nacht', und das macht er bewundernswert:

Rembrandt: Verkündigung an die Hirten



Es sind - in angegebener Reihenfolge - die drei obenerwähnten Strophen, die in Großbritannien und - wie ich annehme - in deutschsprachigen Ländern am meisten gesungen werden. Und so tun Schock, Arndt und Eisbrenner es auch.

Der RIAS Kammerchor unter Günther Arndt singt die erste Strophe unsentimental, mit federndem und treibendem Legato.

Rudolf Schock beginnt in 2. Strophe den Tenorsolo leise, wonach er ihn anschwellend einige Zeilen hell aufleuchten und dann nachglühen läßt. Er stellt die himmlische Verkündigung der Geburt Jesu an die Hirten so anschaulich und einfühlsam dar, wie innerhalb so einer kleinen Strophe nur möglich ist: mit Bravour: kräftig und anregend. Das ist der Sänger, den man "clear, rich and commanding" in Händels 'Messias' und 'Ombra mai fu' hörte.

Die 3. Strophe singen Chor und Tenor unisono. Nur beim ersten 'Christ in Deiner Geburt' flammt die Stimme noch einmal kurz auf, wonach sie wieder im Chor aufgeht.

Rembrandt: Die Heilige Familie

Krijn de Lege, 7.12.2014

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