08.11.12

RUDOLF SCHOCK & CHARLES GOUNOD (1: Einleitung, Ave Maria, Frühlingslied) Deutsch


1938 
zum 1. Mal am Braunschweiger Landestheater und zwar die Rolle von Siebel (!)  in einer Premiere von Gounods Oper 'Faust'.

1949
gehört die - französisch gesungene - grosse Arie von Faust: 'Salut, demeure chaste et pure' zum Repertoire von Rudolf Schock während Gastspielreise durch Australien (siehe 'RS singt Sir Arthur Bliss')

Aus der 2. Hälfte der 40er Jahre
Rundfunk-Rarität mit Rudolf Schock, die ursprünglich von Gounod ist: 'Liebchen, komm mit in's duft'ge Grün' (Bitte, hören Sie das Lied oben!)

1951
nimmt Rudolf Schock unter dem Dirigenten Gustav König für den 'Westberliner Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS)' die Faust-Arie in deutscher Sprache auf: 'Sei mir gegrüßt, o heil'ge Stätte' (Bitte, hören Sie die Arie im 2. Gounod-Teil)

1957
macht Electrola/EMI mit Rudolf Schock und dem Dirigenten Wilhelm Schüchter eine Schallplattenaufnahme der deutschen Version von Fausts Arie, einschließlich des Rezitativs.

1963
nimmt Eurodisc bedeutende Fragmente aus der Oper 'Margarethe/Faust' auf, mit u.a. Rudolf Schock, Hilde Güden und Gottlob Frick. Wilhelm Schüchter hat die musikalische Leitung.

1978
erscheint die Eurodisc-LP 'Für meine Freunde'. Darauf singt Rudolf Schock u.a. einige bekannte Bariton-Arien, worunter aus 'Faust' die Arie von Valentin 'Da ich nun verlassen soll (Avant de quitter ces lieux)'.

In den Jahren 1953, 1955 und 1967 macht Schock Studioaufnahmen für Electrola und Eurodisc eines 'Maria, gegrüßet seist du', das weit und breit als 'AVE MARIA von Bach/Gounod' bekannt ist.
Sommer 1953 nimmt er für den Film 'Du bist die Welt für mich' noch ein 'Ave Maria' auf.

Charles Gounod (1818-1893)








Sohn eines respektierten Malers und einer erfolgreichen Klavierspielerin.
Erntet Weltruhm ab 1859, dem Jahr, worin in Paris seine Oper 'Faust' zum ersten Male aufgeführt wird.
Hector Berlioz
Verlegt sich anfangs auf die Kirchenmusik und hegt den mit Recht frommen Wunsch, Priester zu werden. Bis zum Moment, in dem er mit dem Komponisten und Schriftsteller Hector Berlioz (1803-1869) Bekanntschaft macht.

Johann Wolfgang von Goethe












Die künstlerische Beziehung mit Berlioz führt zur Transformation des Kirchenkomponisten Gounod in den Opernkomponisten Gounod. Es ist verführerisch, anzunehmen, die 'Konzert-Oper' von Berlioz aus dem Jahre 1846 'La Damnation de Faust' habe dabei eine wichtige Rolle gespielt. Der Fauststoff schließt sich nahtlos an Gounods Bewunderung für den literarischen und wissenschaftlichen Riesen Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) an, der ein ganzes Leben mit dem vielschichtigen Theaterstück 'Faust' gerungen hat.
Ary Scheffer 1795-1858, Maler aus Dordrecht
'Faust et Marguerite'























Nach dem Jahre 1859 entfalten sich in raschem Tempo Gounods musikdramatische Möglichkeiten mit als Höhepunkten 'Faust et Marguerite' (1859), der unterschätzten 'La Reine de Saba' (1862, siehe auch 'RS singt Karl Goldmark'), 'Mireille' (1864) und 'Romeo et Juliette' (1867). Gounods reichliche Erfahrung mit der Kirchenmusik verleugnet sich in diesen Opern nicht.

Der französisch-preußische Krieg von 1870/71 veranläßt Charles Gounod und seine Gattin Anna Zimmermann nach England auszuweichen. Gounod läßt sich in London als Dirigent einer Chorgemeinschaft nieder, die später auf den Namen 'Royal Choral Society' getauft werden sollte. Und das, was erwartet werden konnte, geschieht: die Kirchenmusik wird wiederum der Mittelpunkt seiner musikalischen Aktivitäten.

Das 'Ave Maria von Bach/Gounod'

Ave Maria, gratia plena,
Dominus tecum,
Benedicta tu in mulieribus,
et benedictus fructus ventris tui, Iesus.

Sancta Maria, Mater dei,
ora pro nobis peccatoribus,
nunc et in hora mortis nostrae.
Amen, Amen.

(Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir,
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.

Heilige Maria, Mutter Gottes,
bete für uns Sünder
jetzt und in der Stunde unseres Todes.
Amen, Amen)









Die Urversion dieses überbekannten Liedes wurde wahrscheinlich von Joseph-Guillaume Zimmermann, gefeiertem Pianisten und Gounods Schwiegervater, auf Noten gesetzt. Zimmermann sollte schlechthin - und unbemerkt? - aufgeschrieben haben, was der Schiegersohn Charles ihm auf dem Klavier vorspielte: eine romantische Improvisation über die 'Prélude Nr. 1' aus 'Wohltemperiertes Klavier' (1722) von Johann Sebastian Bach (1685-1750).

Seinerseits lud Anna Zimmermanns Vater den Schwiegersohn 1853 zur Ausführung der Improvisation in seiner Wohnung ein, mit gesungemem Text versehen - möglicherweise von Alphons de Lamartine (siehe 'RS singt Godard') - und von Klavier und Violine begleitet. Der Titel des neuen Salonstückes lautete: 'Méditation sur le prélude no.1 de Bach'.
Sechs Jahre später (1859) schlug Aurélie Jousset, Schwiegermutter eines Gesangsstudenten, Gounod vor, den Text der 'Méditation' durch die Worte des lateinischen Gebet 'Ave Maria' zu ersetzen. Er folgte ihrem Rat, und so wurde der protestantische Bach in die römisch-katholische Kirche hineingeschmuggelt.

Gounod hat diesem 'Ave Maria' kaum irgendeine Bedeutung beigemessen. Einmal scheint er es "einen kleinen Witz" genannt zu haben. Der Witz war offensichtlich so klein, dass Gounod ihn in der Autobiographie ganz ausläßt.
Das Volk - oder besser gesagt - die Völker dieser Erde und ihre Nachkommen waren jedoch andrer Meinung: von einem für das 19. Jht. typischen Salonlied
evolvierte das 'Ave Maria von Bach/Gounod' zum weltweit adorierten Musikwunsch u.a. bei Trauungen und Beerdigungen.
Nahezu alle bekannten Sängerinnen und Sänger haben das Lied dargestellt und (oder) auf Schallplatte/Tonband/CD festgelegt, von Barbra Streisand bis Cecilia Bartoli, von Mario Lanza bis Juan Diego Florez.

Rudolf Schock singt das 'Ave Maria von Bach/Gounod'
Im österreichischen Tauberfilm 'Du bist die Welt für mich' aus dem Jahre 1953 ist Schocks 'Ave Maria von Bach/Gounod' das wirksame Finale des Films.

Richard Tauber (Rudolf Schock) singt das Lied am Grabe von Christine (Annemarie Düringer), die an einem Herzleiden gestorben ist und 'die Welt für ihn war'. Dieser Plot ist Fiktion und nach manchem Filmrezensenten "ursentimental". Aber warum? Jeder von uns gerät in seinem oder ihrem Leben mehr als einmal durch den Tod eines Menschen, den er oder sie liebt, in Erschütterung. Davon darf ein Film handeln und bestimmt, wenn das  - wie in Marischkas Film - auf eine verhaltene Weise geschieht.
Annemarie Düringer und Rudolf Schock














Die 'Richard Tauber Story' (der Name, worunter der Film in den VS herausgebracht wurde) stützt sich fest auf vier Pfeilern:

1) dem Einblick des Filmmachers Ernst Marischka in die Psyche des Zuschauers, für den der Film gedacht worden ist (siehe 'RS singt Berté/SCHUBERT')

2) der herzerfreuenden Darstellung von Annemarie Düringer, die damals noch eine glänzende Bühnen- und Filmkarriere vor sich hatte

3) dem einnehmenden Auftritt des erfahrenen Schauspielers Richard Romanowsky als Taubers Gesangslehrer

4) dem hervorragenden Gesang von Rudolf Schock (einige Male von der Stimme Richard Taubers sekundiert).
Schock singt neben 'Ave Maria'  Fragmente aus Werken von Meyerbeer, Mozart, Verdi, Offenbach, Kienzl, Lehár und Tauber selbst

- Die Ave Maria-Aufnahmen aus dem Jahre 1953
Die österreichische Aufnahme von 'Ave Maria' für den Film wurde mit dem Wiener Symphoniker Sommer 1953 gemacht, und die erste Berliner Plattenaufnahme für Electrola/EMI ein halbes Jahr später.
Wilhelm Schüchter dirigiert in Wien UND in Berlin.

Die Electrola-Platte präsentiert eigentlich ein Duett von Schock mit dem Violisten Helmut Heller. Im Hintergrund klingt ein Chor-ohne-Namen. Rudolf Schock singt mit geziemender Lyrik, aber nie salbend. Die Zeile 'Jetzt und in der Stunde unseres Todes (nunc et in hora mortis nostrae)' verrät Emotion und Mut.

Profil-Edition Günter Hänssler bietet die Aufnahme auf CD Nr. PH08058 an. Auf der CD sind u.a. Szenen aus Opern (worunter Gounods 'Faust') und Operetten, mitsamt Salonlieder zu hören.

- Das 3. 'Ave Maria' am 26. Januar 1953
kommt aus der Rudolf Oetker Halle in Bielefeld. Wilhelm Schüchter leitet die Nordwestdeutsche Philharmonie. Der Bielefelder Kinderchor sorgt für die feierliche Umrahmung. Die Harfe ersetzt jetzt die Violine. Schock singt prominenter im Vordergrund und ist etwas dramatischer als in der älteren Electrola-Aufnahme, aber er sentimentalisiert nicht.
U.a. auf der alten EMI-CD: 545-CDM 7 69475 2 mit Operette und sechs willkürlich kombinierten Liedern und auf CD 2 der ersten Schock-10CD-Box von Membran/Documents ist dieses 'Ave Maria' zu hören. Die EMI-CD klingt besser als die von Membran.


Rudolf Schock machte mit dem Bielefelder Kinderchor von Friedrich Oberschelp (1895-1986) in der Mitte des vorigen Jhts. einige besonders erfolgreiche Aufnahmen für Electrola.
Der wohllautende, ehrliche Klang von sowohl Kinderchor als Tenor triumphierte über den Gefühlsüberschwang, die bei solcher Zusammenarbeit schnell auf der Lauer liegt.
Der Chor konzertiert heute noch immer!

- Die stereo Eurodisc-Aufnahme am 21. Juni 1967
ist die der Schlichtheit. Schocks Klangrahmen: Harfe, Orchester und ein zurückhaltender Günther-Arndt-Chor ist betont einfach. Die Nuancen in Schocks Vortrag zeigen, daß sein Umgang mit Texten in den Sechzigern noch stärker geworden ist. Vokal ist er perfekt in Form. Der Dirigent Werner Eisbrenner verdient Lob für das stilvolle Arrangement. Von Schocks drei 'Ave Maria'-Aufnahmen auf Schallplatte ist diese für mich die schönste.












Sie kommt vor auf der CD 'Die großen Erfolge: Rudolf Schock Stimme für Millionen' Nr.610229-231 von Sony/Ariola und ist als Download erhältlich.

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Auch das ist von Charles Gounod! 

Auf der Rudolf Schock-Website von Rob van Brink findet man von Schock-Kenner Ludwig Stumpff (1937 - 2017) Übersichten mit u.a. Aufnahmen und Namen von Gesangskollegen von Rudolf Schock.
Manches Mal empfing ich besondere Tips von ihm.
So verwies er anläßlich meines Artikels über Charles Gounod auf ein altes Tonband, worauf ein junger Rudolf Schock im Radio - mit Orchesterbegleitung und auf Deutsch - ein Lied von Gounod singt. Die Aufnahme stammt wahrscheinlich aus der 2. Hälfte der vierziger Jahre. Der Titel des operettenhaft anmutendenLiedchens lautet: 'Liebchen, komm mit' in's duft'ge Grün'. 
Nachforschungen im Internet führten zu den folgenden Annahmen:

Das Lied(chen) ist ursprünglich ein 'Chanson de Printemps', ein Salonlied, das von Gounod in der Mitte des 19. Jhts geschrieben wurde. 
In der Zeitschrift 'Deutsche Wacht an der Donau', einem 'Deutsch-Ungarischen Organ für Vermittlung der politischen, geistigen und Cultur-Interessen Deutschlands und Österreich-Ungarns' veröffentlicht am 6. Mai 1894 ein Journalist mit den Initialen B.N. einen aus dem Französischen übersetzten Aufsatz unter der Überschrift "GOUNOD'S FRÜHLINGSLIED". Der Aufsatz versetzt den nostalgischen Leser ins Herz des 19. Jhts, worin Gounods Liedkompostionen sehr beliebt waren:

"....Da tönte ein altes Lied an unser Ohr....ich war in einem Café chantant, das - im Gegensatz zu anderen Etablissements, die nach Novitäten jagen, alte Lieblinge hervorsucht.
Nun, da erschien eine junge Frau und sang ein Jahrzehnte altes Lied von Gounod: 'Liebchen, komm' mit in's duft'ge Grün'....Die Sängerin kümmerte sich weder um Text noch um Musik, sie schmetterte mit ihrer frischen Stimme die Töne hervor, in mir aber rief sie eine Welt von Erinnerungen wach:

Ich hatte das Lied zum erstenmale in einer kleinen Stadt gehört, im Geiste sah ich die öden Straßen, in denen das Gras wuchs...den langsam fließenden Bach, der sein Spiel mit den Wasserpflanzen treibt, und der dazumal das Bild meiner ersten Jugend war, träge und nur halbbewußt, erfüllt von schüchternem Verlangen, von blühenden Träumen.

Die Vergangenheit erhob sich auf's Neue; ich war in einem dürftig eingerichteten Salon, und ein junges Mädchen von zwanzig Jahren befand sich am Flügel, Gounod's Lied singend.
Da standen die Rohr-Fauteuils, zwischen den beiden Fenstern, deren halbgeschlossene Läden kaum einen Sonnenstrahl durchließen, befand sich der Flügel, vor ihm die Sängerin in hellem Kleide, mit gelocktem Haar - all das sah ich vor mir, alle einstigen Empfindungen kehrten wieder.
Das junge Mädchen hieß Eveline, sie war bleich und schmächtig und hatte einen stolzen, hochmüthigen Blick. Ihr kränkliches Aussehen, ihre zurückhaltende Weise erfüllten mich mit Bewunderung. Sie erschien mir gleich einem Engel, der sich über den Erdenstaub erhebt, ich liebte sie und eine Stimme in meinem Innern rief ihr zu: 'Liebchen, komm' mit in's duft'ge Grün."...

Nach Gounods Tode im Jahre 1893 kauft und bearbeitet Eduard Strauß (1835-1916), ein jüngerer Bruder von Johann Strauß Jr., die Musik dieses 'Frühlingsliedes'.
Der französische Text wird vereinfacht ins Deutsche übersetzt, und von diesem Moment an lautet das 'Frühlingslied' auf den Namen: Eduard Strauß, zwar mit der Hinzufügung:  "nach Charles Gounod". Anschließend spielen "Komponist und Hofballmusik-Director Eduard Strauß" und seine "Kapelle" das zum kleinen Wiener Operettenwalzer transformierte Lied während Konzertreisen durch Europa und Nordamerika.

Auf dem Tonband von Ludwig Stumpff singt Rudolf Schock in einer alten Rundfunkaufnahme das 'Frühlingslied von Gounod/Strauß'. Er 'schmettert mit frischer Stimme die Töne so jubelnd hervor', daß am Ende der Hörer mít dem Orchester noch eine Weile nachwirbelt! (Bitte, Hören Sie das Lied ganz oben!)

Krijn de Lege, 20.12.2012/25.2.2020

Zum zweiten Teil von 'Rudolf Schock & Charles Gounod' mit der Oper Faust/Margarethe 'Faust':
Link:Rudolf Schock & Charles Gounod (2: Faust/Margarethe) deutsch 


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

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