26.01.09

RUDOLF SCHOCK SINGT Heinrich Berté/FRANZ SCHUBERT

Rudolf Schock singt Heinrich Berté/Franz Schubert

FRANZ SCHUBERT
(1797-1828)


HEINRICH BERTÉ
(1858-1929)


























'Was Schön'res könnt's sein als ein Wiener Lied?

Die Antwort auf diese Frage könnte sein: ein Lied von Franz Schubert. Aber ein Schubert-lied, das zugleich ein Wiener Lied ist, wäre dann vielleicht noch schöner. Und eine Vielfalt solcher Lieder müsste wohl das Allerschönste sein. Dennoch hatte sein berühmter Kollege Franz von Suppé so etwas vor einem halben Jahrhundert schon probiert, und das wurde kein Erfolg. 

Mit solchen verzweifelten Gedanken im Kopfe fängt der vielgeplagte Heinrich Berté zum x-tenmal mit einem Operettenversuch an. Seine früheren Operetten waren nichts geworden. Die allerletzte: 'Das Dreimäderlhaus' wurde sogar abgelehnt, obschon er als Quelle doch einen aktuellen Schubert-Bestseller ('Schwammerl' von Rudolf Hans Bartsch) benutzte und auf der dramatischen Höhe der Handlung mit einem heftigen Lied von Franz Schubert ('Ungeduld') überraschte.
Hätte er diesen Trick nur nicht vorgeführt, aber das Unheil war bereits geschehen: Bertés Theaterfreunde bitten ihn freundlich, doch dringlich auf die eigene Musik zu verzichten und für ein renoviertes Dreimäderlhaus noch ausschliesslich Musik von 'Schubert himself' anzuwenden. Berté protestiert und erinnert an Franz von Suppés Schubert-Fiasko, aber letzten Endes geht er mit Kleister und Schere daran, Schuberts Musik auf gut Glück für das Operettentheater zu bearbeiten.
Am 15. Januar 1916 hat das Ergebnis Premiere. Der Erfolg ist enorm, und innerhalb kürzester Zeit macht das Berté/Schubert-Experiment 'Dreimäderlhaus' einen wahren Siegeszug durch die europäischen und amerikanischen Theater. Das Werk wächst zu einer der am meisten gespielten Operetten aus.

Im Internet finde ich nur ein einziges, kleines, unscharfes Bild von Heinrich Berté. Er scheint mir ein netter und humorvoller Mann gewesen zu sein, dessen Kunstgriff "vom lieben Gott gesegnet wurde". Einige Jahre später wollte er seinen Kunstgriff mit einer zweiten Schubert-Adaptation wiederholen. Diese Operette unter dem Namen 'Lenz und Liebe' kam aber beim Publikum nicht an.

In der Zwischenzeit wurde Berté bejubelt und beschimpft: manche stellten fest, Schuberts Notenbild sei vollständig respektiert worden, Berté habe den grossen Wunsch Schuberts, auf der Bühne gespielt zu werden, faktisch in Erfüllung gehen lassen, und die Bühnenbearbeitung zeuge von gutem Geschmack und fachmännischem Können. Andere aber waren der Meinung, Bertés "Pfuscharbeit" nehme Franz Schubert ganz auseinander. Der österreichische Schriftsteller und Journalist Karl Kraus wünschte Wien nur wegen dieser Operette schon, die für Schubert so beleidigend war, "Pest und Bomben" zu. "Ihr Publikum habe nichts anderes verdient!"

Nach einem Jahrfünft von Missbilligung und Lobhudelei scheint die Operette auf einmal für vogelfrei erklärt zu sein. Komponisten, Arrangeure, Dirigenten, Regisseure und - für die unvermeidliche, finanzielle Betreuung - Theater- und Schallplattenproduzenten fangen ihrerseits an, fieberhaft zu kleistern und zu schneiden. In der Neuen Welt arbeitet Sigmund Romberg 1921 das Werk erfolgreich zu 'Blossom Time' um (mit Richard Tauber als Schubert verfilmt).

Richard Tauber im Film 'Blossom Time'

















In England ist es der Komponist australischer Herkunft George Clutsam, der 'Das Dreimäderlhaus' ins nicht unbemerkt gebliebene 'Lilac Time'(1922) verwandelt. Weiter gibt es noch eine französische Version ('Chanson d'Amour') und eine spanische. Auch danach nimmt das Einlegen, Umarbeiten und Streichen von Schubert-Kompositionen kein Ende.

Heinrich Bertés Musikwahl
Für diejenigen, die von Bertés Entscheidungen mehr wissen möchten, lohnt es sich, die 'Schubert Institute'-Site zu besuchen (www.franzschubert.org.uk).
Hier beschränke ich mich auf einige Beispiele:

Das 'Dreimäderl'-Terzett ('Haiderl, Hederl und Hannerl Tschöll') benutzt die Musik aus Schuberts 'Rosamunde'.

Das allerschönste 'Wiener Lied' ist ursprünglich einer der 'Deutschen Tänze' (D783-7).

'Es soll der Frühling mir künden' war bei Schubert ein 'Trauerwalzer' (D365-2).

Das Finale aus dem ersten Akt gründet u.a. auf einem Fragment aus 'Dem häuslichen Krieg', einer Jugend-Oper.

Weiter gebraucht Berté Klaviersonaten und natürlich 'Ich schnitt es gern in alle Rinden ein' oftewel 'Ungeduld', Lied Nr. 7 aus dem Zyklus 'Die schöne Müllerin'.

Von Berté nicht gewählt, aber von anderen oft eingeschoben worden, ist Schuberts 'Leise flehen meine Lieder', das 'Ständchen' D957-4.
In Rombergs 'Blossom Time' gehören 'Leise flehen meine Lieder' und Schuberts 'Ave Maria' zur Standardpartitur der Operette.

Was ist Wahrheit, was ist Dichtung?
Alfred Maria Willner und Heinz Reichert, die Verfasser des 'Dreimäderlhaus'-Librettos, und Heinrich Berté bringen den 29-jährigen Franz Schubert inmitten seiner Freunde auf die Bühne. Handlungsort ist das Wiener Biedermeier-Milieu














Den Freundeskreis um Schubert hat es wirklich gegeben. Im 'Singspiel' (Diese Bezeichnung ist wahrscheinlich in die Mode gekommen, um das Wort 'Operette' zu vermeiden) gibt es den Dichter Franz von Schober, den Maler Moritz von Schwind, Kammersänger Johann Michael Vogl und den Zeichner Leopold Kupelwieser (siehe seine Zeichnung des 17-jährigen Franz Schubert). Der Kreis war in Wirklichkeit grösser.


















Die Freunde sahen sich häufig bei Konzerten in Sälen oder grossen Salons und an den sogenannten 'Kanevas'-Abenden. Dieser rätselhafte Name erinnert an die Frage, die Franz Schubert immer wieder stellte, wenn an einem solchen Abend ein neuer Besucher vorgestellt wurde: 'Kann er was?'. An den 'Kanevas'-Abenden wurde vorgelesen, Musik gemacht, geplaudert, geklatscht und getrunken. Wo junge Männer sind, sind meistens auch junge Frauen, und das hatte zur logischen Folge, dass allerhand Verliebtheiten gang und gäbe waren. Historisch ist auch, dass die Freunde ihren Kunstbruder Franzl, der ziemlich klein und etwas korpulent war, und dazu einen relativ grossen Kopf hatte, mit dem Spitznamen 'Schwammerl' ('Pilz') neckten.

Alte Postbriefkarte: Samml. Prof.Dr. S. Giesbrecht
(Universität Osnabrück)


















Ausserdem muss angenommen werden, Schubert sei im Umgang mit Mädchen ziemlich ungeschickt gewesen.
In einem mißlungenen Liebesverhältnis mit der Tochter eines Herrn, der möglicherweise Hofglasermeister war, wird gewiß ein wahrer Kern stecken.

Manche Zusammenfassung der Operettenhandlung ist nicht ganz richtig. Gerne möchte ich in bezug auf 'Das Dreimäderlhaus' auf einen Irrtum hinweisen, der oft begangen wird:
Der Grund, woraus sich Hannerl für Schuberts Busenfreund Von Schober entscheidet, hat mit mehr als dem von Von Schober in Schuberts Namen (Schubert selber hat den Mut nicht!) gesungenen 'Ungeduld' zu tun. Das ist zwar der Tropfen, der das Faß voller Leidenschaft zum Überlaufen bringt, aber bedeutungsvoller ist ein tragisches Missverständnis kurz davor:
Kammersängerin Demoiselle Lucia Grisi, die ein Liebesbeziehung mit Franz von Schober hat, fürchtet, ihr Franz habe sich in Hannerl verliebt. Sie gibt dem jungen Mädchen den 'vernünftigen' Rat, eventuelle Avancen von Franz zu ignorieren, weil er alles andere als monogam sei. Hannerl, die den bescheidenen Schubert immer mehr mag und begeistert Klavierunterricht bei ihm nimmt, glaubt, Lucias Warnung beziehe sich auf Franz Schubert.
Das Mädchen ist völlig durcheinander, und in dieser Gemütsverfassung hört sie aus dem Munde des tatsächlich verliebt gewordenen Von Schober Schuberts emotionelle Liebeserklärung. Hannerl kann nicht anders als dem ausführenden Künstler in die Arme fallen. Bertés Singspiel endet mit einem traurigen Schubert, dem es trotzdem gelingt, den Schmerz über das Verlorene auf bewundernswerte Weise zu bewältigen ('Nicht klagen...').
Aus der Sammlung Prof.Dr.S. Giesbrecht
(Universität Osnabrück)

















Rudolf Schock singt Heinrich Berté/FRANZ SCHUBERT

Rudolf Schock hat etwa 80 Lieder von Franz Schubert für die Schallplatte gesungen. Während seiner Sängerlaufbahn eines halben Jahrhunderts hat er Schubert-Lieder überall in Konzertsälen gesungen. Musikkritiker Leo Riemens - ich habe ihn schon oft zitiert - bemerkte nach Schocks 'Dreimäderlhaus'-Auftreten in Amsterdam (1974), dass in dieser Operette endlich wieder einmal ein Sänger zu hören sei, "der wüsste, wie Schubert gesungen werden sollte".

1958: der Ernst Marischka-Film 'Das Dreimäderlhaus' (Dvd: Kinowelt 501618, siehe auch unter 'RS auf Film/Dvd') mit u.a. Helga Neuner, Gerda Siegl und Johanna Matz (Haiderl, Hederl und Hannerl), Magda Schneider und Gustav Knuth (Eltern der drei Mädchen), Karlheinz Böhm (Franz Schubert), Rudolf Schock (Frans von Schober), Helmut Lohner (Moritz von Schwind), Albrecht Rüprecht (Leopold Kupelwieser), Eberhard Wächter (Johann Michael Vogl), Erich Kunz (Johann Mayrhofer) Richard Romanowsky (Musikverleger Diabelli), Ewald Balser (Beethoven) und weiter Wilma Lipp, Hilde Konetzki, Hugo Mayer-Welfing, Oscar Czerwenka und dem Dirigenten Heinrich Hollreiser.
Kamera: Bruno Mondi, musikalische Gesamtleitung: Anton Profes, Drehbuch und Regie: ERNST MARISCHKA.



ERNST MARISCHKA (1893-1963) hat als Filmregisseur und Drehbuchautor ein riesiges Gesamtwerk hinterlassen. Im Jahre 1946 erwarb sich der Österreicher eine Oscar-Nomination, und in der Periode 1955-1957 erreichte er mit der 'Sissy'-Trilogie (Romy Schneider und Karlheinz Böhm!) einen 'Cult'-Status.
Marischka wurde von der Kritik aber scharf angegriffen. Trotz der Tatsache, dass sich die grosse Popularität der 'Sissy'-Filme auch nach mehr als 60 Jahren unantastbar ist (Was ist die Weihnachtszeit ohne Sissy?), tauchen manche Kritiker ihre Feder nach wie vor in Gift:
Z.B. in jeder Neuauflage der 'Niederländischen Film-Enzyklopädie' aus den 80er und 90er Jahren löste 'Das Dreimäderlhaus' immer wieder dieselbe Kritik aus: "...superromantisch nach dem Marischka-Rezept, urdeutsch also. Nach dem Buch 'Schrammer'...". Das Schlimme ist, dass diese 'Beurteilung' überall wiederholt wird, weil man in der Journalistik ziemlich viel voneinander abzuschreiben scheint. Es ist unglaublich, dass jemand in so einem kurzen Satzabschnitt zwei Fehler macht: Marischka ist Österreicher, die Qualifikation "urdeutsch" belegt gerade in diesem Zusammenhang die Voreingenommenheit des Verfassers und der Romantitel "Schrammer" statt 'Schwammerl' ist ein Musterbeispiel dafür, dass einer die Glocke hat läuten hören, aber nicht weiss, wo sie hängt.

Ernst Marischka














Die Qualität dieses Schubert-Films ist die künstlerische Intuition, womit Marischka innerhalb eines zwar knappen, aber unumstößlich historischen Rahmen eine zeitlose, durch und durch menschliche Wirklichkeit schafft, die für immer wieder neue Kinobesucher und Fernsehzuschauer nachvollziehbar bleibt. Marischka - Karlheinz Böhm sagt es im Interview, das der Dvd-Ausgabe beigefügt worden ist - improvisierte nie, aber sah, noch ehe eine Szene gefilmt wurde, genau vor sich, wie diese Szene aussehen und was ihr idealer Montage-Moment werden sollte. Diese filmische Vorstellungskraft wurzelte in Menschenkenntnis und Einfühlungskraft. Die Personen von damals (in diesem Film genauso wie in den 'Sissy' -Filmen) werden zu ganz gewöhnlichen Menschen von heute, die ohne Wichtigtuerei auf eine für alle Altersstufen erkennbare Weise ihren Gefühlen Ausdruck geben. Romy Schneider war als Kaiserin Sissy ganz naturell, Karlheinz Böhm ist das in einer ebenso selbstverständlichen Weise als der junge, unsichere Komponist Schubert. Der lockere Erich Kunz, der einnehmende Richard Romanowsky, der imposante Ewald Balser (Foto) usw. überzeugen völlig in ihren Rollen. Rudolf Schock ist Sänger und erst in zweiter Instanz Filmschauspieler, aber in der Szene der stellvertretenden Liebeserklärung ist er Böhm nicht unterlegen. Herzerfreuend ist die Szene, worin die drei Mädchen unter Anführung der Mutter (Magda Schneider) für den Ausflug ins Freie Toilette machen. Genauso ansteckend spielen Schuberts Freunde darauf an: sie bereiten in chaotischer Atmosphäre Leckerbissen zu oder versuchen so etwas, und stimmen danach ein rührend gesungenes 'Am Brunnen vor dem Tore' an.

Unterschiede zwischen Berté und Marischka
Marischka fügt das Lied 'Der Lindenbaum' aus dem Zyklus 'Winterreise' zu und das vom historischen Von Schober (!) gedichtete 'An die Musik' (mit dem Bariton Eberhard Wächter). Kurz vor dem Filmabschluss legt er das - gekürzte - 'Ave Maria' ein, das von der Sopranistin Wilma Lipp gesungen wird. Einige Gesangsstücke sind instrumental als Unterstützung für die Filmhandlung eingesetzt. Andere Stücke werden - mit Schock im Vordergrund - zum Ensemblespiel.

In der Operette ist die Schubert-Rolle die wichtige Tenorpartie. Im Film singt Schubert keine Note. Marischka wollte vor allem einen Film mit einem echten Schubert machen, worin die historischen Tatsachen ausreichend stimmen sollten. Die Kammersängerin Lucia Grisi aus der Operette kommt im Film nicht vor; also auch nicht ihre an Hannerl gerichtete Warnung. Der Schwerpunkt im Film liegt - im Gegensatz zur Operette - auf dem Lied 'Ungeduld', das von Von Schober (Schock also) gesungen wird. Diesen dramatisch starken Einfall aus der Operette lässt Marischka sich nicht nehmen, aber im grossen und ganzen könnte man sagen, Marischka gebe in seinem Film die 'Dreimäderlhaus'-Musik ihrem Komponisten Franz Schubert zurück.

Bertés Singspiel endet in heiterer Stimmung. Bei Marischka endet der Film unheilverkündend: Der Vorhang war schon gefallen für Beethoven, der von Schubert tief verehrt wurde. Er fällt nun auch für Schubert selber. Der 29-jährige, nach innen gekehrte Mann bleibt von Kummer zerrissen einsam zurück. Ich kann dieser abschliessenden Filmszene nur gegen den historischen Hintergrund nachempfinden: Es steht fest, dass Schubert schon seit dem 25-jährigen Lebensjahr ernsthaft krank gewesen sein muss. Zwei Jahre später sollte er an dieser Krankheit sterben. Erst im Laufe der Jahre danach wurde seine musikalische Größe anerkannt.

LP-Hülle 1958:
Filmfoto mit v.l.n.r: Schock, Lohner, Böhm, Kunz






















1958 (Nov.):
Studio-Aufnahme 'Das Dreimäderlhaus' (Cd: Emi 7243 5 75817 2 1) mit Erika Köth, Sopr., Rosemarie Raabe, Sopr., Ilse Preusse, Sopr, Rudolf Schock, Tenor, Erich Kunz, Bariton, Manfred Schmidt, Tenor, Walther Hauck, Bass und FRANK FOX (Dir.)

 



















Die Cd der alten LP verbindet eine 'Melodienfolge' aus 'Das Dreimäderlhaus' mit einem andren schönen Querschnitt aus der Oscar Straus-Operette 'Ein Walzertraum' auch aus dem Jahre 1958 (mit u.a. Lisa Otto, Melitta Muszely und Rudolf Schock).

Die 'Dreimäderlhaus'-Melodien sind kein Soundtrack des Ernst Marischka-Films, der dasselbe Jahr Premiere hatte. Sie sind eine Studio-Aufnahme, die kommerziell an den Film geknüpft wurde. Nur Schock und Kunz spielten auch im Film mit. Der österreichische Dirigent und Filmkomponist Frank Fox (1902-965) machte - wie üblich bei dieser Operette - ein Arrangement, das filmisch anmutet. Von den insgesamt 15 Musiknummern, die das vollständige 'Dreimäderlhaus' zählt, hat Emi 12 Nummern in gekürzter Form aufgenommen. Sie bekommen Verstärkung von 'Leise flehen meine Lieder' und 'Am Brunnen vor dem Tore'. Die Ausführung des letzten Liedes hört sich wie die Film-Version an, worin Kunz und Schock einander ergänzen.

Rudolf Schock singt von Schuberts 'Ungeduld' nicht alle 4, sondern 3 Strophen (die dritte wird ausgelassen). Das ist doch eine Strophe mehr als im Film, worin wir allein die erste und letzte hören. Das Arrangement kombiniert Klavier und Orchester. Am Ende von 'Ungeduld' führt Fox den eigenen, dramatischen Filmeffekt vor. Merkwürdig ist, dass die 'Ungeduld'-Aufnahme unter Fox in der neuen Schock-10Cd-Box von Membran wieder anders ist: Wir hören die 1. und 4. Strophe und am Ende gibt es keinen Filmeffekt. Ich konnte mich nicht enthalten, in meiner alten Schallplattensammlung herumzustöbern, und tatsächlich gab es diese Version in einer alten Schock-Kompilation schon.
Erika Köth




















Die Fragmente, worin die Beziehung zu den Rollen grossenteils aufgegeben wurde, sind eine wahre Wonne: Schuberts Melodien sind sowieso wunderschön und die Stimmen von Erika Köth (1925-1989), Rudolf Schock und Erich Kunz (1909-1995) stehen an solcher Schönheit nicht nach! Frank Fox dirigiert 'con brio'.
1968 (Febr.): Studio-Aufnahme (Eurodisc Lp 77143 IU) 'Was Schön'res könnt's sein als ein Wiener Lied' mit Rudolf Schock und die Berliner Symphoniker unter WERNER EISBRENNER.








Anfang 1968 erscheint eine LP mit dem Titel: 'Rudolf Schock - Erinnerungen an Richard Tauber'. Rudolf Schock singt u.a. Opernarien von Auber, Wolf-Ferrari und Rossini, zwei Lieder von Grieg, zwei Tauber-Kompositionen, 'Leise flehen meine Lieder' und 'Was Schön'res könnt's sein als ein Wiener Lied'. Das Wiener Lied wird als Fragment aus dem 'Dreimäderlhaus' erwähnt. Beim Ständchen 'Leise flehen....' macht man das mit Recht nicht. 'Leise flehen...' ist ein einzelnes Lied, das man nach Schuberts Tode als Lied Nr. 4 aus 'Schwanengesang' D 957 rubrizierte. Dieser ironisch wirkende Name stammt nicht von Schubert.

Das Wiener Lied lässt einen Schock hören, der am 6. Februar 1968 ausgezeichnet bei Stimme war. Eigentlich ist es in der Operette ein Duett, aber das hat keine Not: Rudolf Schock singt teilweise das Duett mit Rudolf Schock. Er macht das nicht zum ersten Mal, denn für den Schock-Film 'Die Stimme der Sehnsucht' (1956) geschah im Gerhard Winklers Lied 'Schenk mir dein Herz, Lucia' dasselbe. Für die Aufnahmetechniker ist so etwas ein Kinderspiel und für die Zuhörer eine hübsche Überraschung. Weil auf der LP Rudolf Schock an Richard Tauber geknüpft wird, ist es angebracht, zu bemerken, dass von Tauber je auch eine solche Schallplatten-Aufnahme gemacht wurde, und zwar vom Lied 'Flüsterndes Silber, rauschende Welle'.

1974 (April):
Studio-Aufnahme eines grossen Querschnitts aus dem 'Dreimäderlhaus' (Eurodisc Lp 87873 IE) mit Karin Schock, Sopr., Isolde Schock-Dehn, Mezzosopr., Renate Holm, Sopr. (Haiderl, Hederl, Hannerl), Rudolf Schock, Tenor (Schubert), Kurt Schuh, Tenor (Hofglasermeister Tschöll, Vater der drei Mädchen), Peter Luipold, Tenor (Von Schober), Gerhard Koska, Bass (Von Schwind), Helmut Hein, Bass (Kupelwieser), Achim Niedzella, Tenor (Vogl) und FRIED WALTER (Dir.)
Eurodisc-Lp-Cover 1974:




















LP anläßlich der Dreimäderlhaus-Premiere 1974 in Berlin

Am 21. März 1974 findet im Berliner 'Theater des Westens' eine Premiere statt vom 'Dreimäderlhaus'.
Fried Walter dirigiert, und Rudolf Schock singt Franz Schubert.

Rudolf Schock als Schubert 1974






















Schocks Nichte Karin (Schock) singt die Rolle von Hannerl. Nach der Berliner Premiere geht die Vorstellung auf Europa-Tournee (ungefähr 200 Vorstellungen). Noch imselben Jahr besuche ich die Aufführung im Rotterdamer Stadttheater. Ich zitiere aus eigenem Text (siehe auch: RS Sänger/Darsteller):

"In dem Augenblick, als Rudolf Schock ganz am Anfang 'Leise flehen meine Lieder' singt, versteht man auf einmal, was verinnerlichte Stille ist. Man kann eine Stecknadel fallen hören; es scheint als ob alle Zuhörer den Atem anhalten, und die Stimme brennt "still und innig und einfach wie eine Kerze" ins Herz. Später gibt es noch so einen Moment, in dem der Sänger 'An die Musik' singt'.

Kurz darauf veröffentlicht Eurodisc wiederum unter dem Dirigenten Fried Walter die LP.
Renate Holm singt jetzt Hannerl und Karin Schock Haiderl.
Große Überraschung ist die Besetzung von Hederl durch Rudolf Schocks
Tochter Isolde!

Isolde Schock-Dehn verfügte über eine schöne Mezzosopran-Stimme und trat regelmäßig in Kirchenkonzerten mit ihrem Vater auf (Imst, Saarbrücken usw.). Im Film 'Du bist die Welt für mich' (1953) war das 12-jährige Mädchen mit Rudolf Schock zu sehen und zu hören in der Chorszene aus der Oper 'Der Evangelimann' von Wilhelm Kienzl ('Selig sind die Verfolgung leiden'). Anfangs der 80er Jahre wurde Isolde Schock lebensbedrohend krank. Sie starb 1983.
Isolde Schock mit dem Vater nach einem Konzert
(Foto: Frau Rauber)

















Der Eurodisc-Querschnitt ist viel ausführlicher als die EMI-Melodienfolge aus dem Jahre 1958. Die Zahl der ursprünglichen Partiturnummern ist zehn. Sie sind kaum gekürzt worden. Das erste Finale ist da, genauso wie Schuberts grosse Szene im 3. Akt. Die Hannerl/Schubert-Duette 'Was Schön'res könnt's sein...' und 'Liebes Schicksalsblümlein sprich' werden komplett dargestellt.

















Auch Dirigent Fried Walter hat die Musik bearbeitet, und das bringt dieses Mal - außer Schuberts 'Ständchen' D957/4 - das 'Heidenröslein' D257 ein, das von Star-Sopranistin Renate Holm zart und transparent gesungen wird. Rudolf Schock benutzt ganz klein und fein alle Möglichkeiten des Mikrofons und Schuberts Musik.
Das Mädchentrio klingt schön profiliert, und die übrigen, männlichen Solisten singen - ein einziges Mal allzu - feurig.

Die Vorderseite des LP-Covers läßt keinen Zweifel über den Ursprung der 'Dreimäderlhaus'-Melodien hochkommen. 'UNSTERBLICHER SCHUBERT' prangt mit grossen, geschwungenen Buchstaben über dem Operettentitel. Heinrich Berté wird nicht genannt. Nur auf der Hinterseite lesen wir seinen Namen, aber dann wohl möglichst klein geschrieben.

Krijn de Lege, Februar 2009/31.7.2019/4.9.2024