14.02.13

RUDOLF SCHOCK SINGT LOUIS-GASTON GANNE

Rudolf Schock singt 'Ekstase' von Louis Ganne


www.jeanlouiscouturier.com
Wir sahen es schon öfters. Instrumentalkompositionen werden hinterher mit einem Text versehen und wachsen - ziemlich häufig - zu weltweiten Evergreens aus: z.B. die Melodie des Liedes 'Heil'ge Nacht, o gieße du' stammt von Beethoven (siehe 'RS singt Beethoven-2'), die Noten von Gounods 'Ave Maria' kommen von Bach her (siehe 'RS singt Gounod'), und die Musik der 'Kleinen Frühlingsweise' finden wir in der 'Humoresque Nr. 7 in ges' von Dvorák wieder (siehe 'RS singt Dvorák').

Die Musik des Liedes 'Ekstase' schreibt der französische Komponist Louis-Gaston Ganne um 1896 herum als eine 'Reverie' (träumerisch-elegisches Musikstück) unter dem Titel 'Extase' für Violine, Violoncello und Klavier, denen nach Belieben Harfe und/oder sogar Orgel hinzugefügt werden kann (Ganne bekam ja nicht umsonst Orgelunterricht von César Franck).
Dieses Bedürfnis nach Ausbau führt schon schnell dazu, daß die Komposition von Salonensembles ausgeführt wird, und deren nostalgische Imitationen spielen auch heute noch ganz gerne Gannes 'Extase'.















Wahrscheinlich um 1930 herum versieht Benno Balan in Berlin Gannes populäre 'Reverie' mit einem Text ('Liebe, himmlische Macht'), der 1931 von Richard Tauber als 'Ekstase' auf Schallplatte festgelegt wird.

Richard Tauber
 
Rudolf Schock

Rudolf Schock nimmt das Lied 1963 auf, wonach es zweimal auf LP erscheint. Seitdem ist es in Schocks Darstellung - insofern ich weiß - nicht mehr veröffentlicht worden.

Louis-Gaston Ganne (1862-1923)
www.culture.allier.fr






















Louis-Gaston Ganne war gefeierter Dirigent in Paris und Monte Carlo. Als Komponist schrieb er Musik für allerhand Instrumente, Ballettrevuen, die er u.a. in den 'Folies Bergère' selber dirigierte, und einige 'Opéras comiques', die im allgemeinen hartnäckig als "Operetten" bezeichnet werden. Ein Schicksal, das mehr komische Opern trifft, wie z.B. die von Jacques Offenbach und auch Car Millöckers 'Der Bettelstudent'. Solche Werke könnte man genauer als Wegbereiter für die Gattung 'Operette' einstufen.

Mit der extravaganten 'opéra comique' 'Les Saltimbanques (Die Gaukler)' verfasste Louis Ganne am Ende des 19. Jahrhunderts "einen, nein, DEN Musikroman vom Zirkus"(Volker Klotz).















Seine komische Oper aus dem Jahre 1906 über den Rattenfänger von Hameln 'Hans, le Joueur de Flûte (Hans, der Flötenspieler)' nennen Kenner des Werkes "die schönste Operette (keine Oper?), die je komponiert wurde".






















Weit und breit bekannt wurde auch Gannes 'Marche Lorraine (Lothringer Marsch)', der im Zweiten Weltkrieg zum Kampflied der französischen Widerstandsbewegung wurde (bei YouTube zu hören. Vom Tenor Georges Till gesungen).






















'Extase', Gannes Reverie aus dem Jahre 1896, hört man auf YouTube als instrumentalen Hintergrund zum Stummfilm 'Le Monstre (das Ungeheuer)' von Georges Melies aus dem Jahre 1903 (Filmpionier Georges Melies tauchte neulich noch als bedeutende, historische Figur in Martin Scorseses großartigem 3D-Kinofilm 'Hugo' auf). Die Reverie wurde 1911 vom Tollefsen Trio aufgenommen und ist bewahrt geblieben.

LINK auf 'Le Monstre' (1903)

Benno Balan (1896-1944)
besaß seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Berlin einen Musikverlag ('Edition Benno Balan'), der sich stark auf die Veröffentlichung von Werken zeitgenössischer Komponisten wie Boris Blacher, Karl Amadeus Hartmann und Arnold Schönberg richtete.
Balan floh 1933 vor den Nazis nach Paris und führte dort seinen Musikladen mit Verlag unter dem Namen 'Éditions Pro Musica' weiter.
Zwei Jahre später bekam er die feurig begehrte Möglichkeit, sich in Jerusalem niederzulassen. Da eröffnete er - wie könnte es auch anders sein - aufs neue eine 'Edition Pro Musica' (Quellen: Sophie Fetthauer 2004-Universität Hamburg).

Gegen den Hintergrund von Benno Balans Vorliebe für zeitgenössische Musik fällt es auf, daß er sich auch bemüht hat, traditionelle Instrumentalmusik wie Gannes 'Extase' und Camille Saint-Saëns' 'La Cygne (De Zwaan)' zu betexten. Vielleicht machte er das besonders für den berühmten Richard Tauber, der 1938  - nach eher Berlin - auch Wien den Rücken zukehren sollte und nach London zog.

Rudolf Schock sang Louis Ganne auf Text von Benno Balan 
in Berlin am 20. Januar 1963 mit den Berliner Sinfonikern unter der Leitung von Werner Eisbrenner (1908-1981)  > siehe Video ganz oben!

Schocks Interpretation von 'Ekstase' (das ich zum Salonlieder-Repertoire rechne) ist verhaltener als die von Richard Tauber aus dem Jahre 1931. Während Tauber Benno Balans Text - mit großem fachmännischen Können - äußerst plastisch vorträgt, bewegt sich Rudolf Schocks Schöngesang mehr innerhalb der musikalischen Linien der ursprünglichen 'Reverie'. In seiner Ausführung glüht wie bei Louis Ganne die Ekstase unter der träumerischen Oberfläche.
Schocks wohl 'ekstatisch' profiliertes Moment klingt im 2. Teil des Liedes: "Ich liebe und werde geliebt!". Mit dem gelungen falsettierten Echo dieses Moments endet das Chanson.

Krijn de Lege, 14.2.2013

Nächstes Mal: 'Rudolf Schock und Erika Köth singen aus der Operette 'Der Orlow' von Bruno Granichstaedten'

Keine Kommentare: